Kuba feiert Anfang Januar 50 Jahre Mangelwirtschaft und Lebensmittelknappheit. Da man ja inzwischen weiß, welche Folgen derartige Jubiläen haben können, schauen wir uns den real existierenden Sozialismus vorher noch einmal ausgiebig an. Wer weiß, was nach Castro kommt!
Auf dem Flughafen werden mir mit allen kubanischen Ehren empfangen: Stromausfall, alle Kofferbänder stehen still! Doch schon in unserem Hotel in Havanna erkennt man den Einfluß des Klassenfeindes: Es gibt rund um die Uhr fließendes (warmes!) Wasser und Strom. Auch kulinarisch hatte ich mir den Kommunismus schlimmer vorgestellt. Der Kaffee erinnert an guten Tagen durchaus an Kaffee, die Butter ist ab und zu sogar genießbar, und die Milch ist ... Aber wen interessiert schon Milch!
Bei unseren Streifzügen durch die malerische Altstadt lernen wir schnell die drei Hauptbeschäftigungen der Kubaner kennen: 1. Herumstehen, 2. In Dreiergruppen "Arbeit" erledigen, 3. Herumstehen und Dreiergruppen bei ihrer "Arbeit" beobachten. Überhaupt scheint die Planwirtschaft so manchen Vorzug zu besitzen. Fidel höchstselbst zum Beispiel wohnt in einer Villa im Nobelstadtteil Miramar - so macht Sozialismus Spaß!
Apropos Spaß: Schon nach 2 Tagen entdecken wir ein Restaurant, in dem man beinahe kultiviert speisen kann - La Dominica. Doch auch hier wenden die Kubaner ihre beiden Tricks an, um gute Tischstimmung wirksam zu bekämpfen: a) Zwei Sekunden, nachdem man Gabel und Messer zur Hand genommen hat, spielt eine Live-Band auf - und zwar bevorzugt Hasta siempre, Chan Chan und das ganz und gar unerträgliche Guantanamera. Als Europäer sehe ich ja ein, daß Essen und Musik wichtige menschliche Tätigkeiten sind, aber bitte doch niemals gleichzeitig! b) Zwei Sekunden, nachdem man Gabel und Messer für einen Augenblick zur Seite legt, wird gnadenlos der Tisch abgeräumt. In diesem Punkt und nur in diesem legt ganz Kuba Wert auf höchste Effizienz.
Als nächstes besuchen wir das herrliche Viñales-Tal und schauen uns dort die Cueva del Indio an. Nach dem Mittagessen zeigt unsere Reiseführerin auf ein Loch im Felsen und kündigt an: "Wenn Ihr zurück zum Bus wollt, müßt Ihr durch die Hölle gehen!" Hängen Mangelwirtschaft und christliches Purgatorium wirklich so eng zusammen? Doch am Ende entpuppt sich alles nur als phonetisches Mißverständnis. Später führt man uns noch zum Mural de la Prehistoria, die wohl schlimmsten Attraktion der Insel. Die Natur wird noch Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte brauchen, um diese gigantische Wandmalerei zu neutralisieren.
Am nächsten Mittag geht es mit dem Flugzeug nach Santiago de Cuba - denken wir jedenfalls. Doch wir erfahren zunächst, daß unser Flug erst am Abend geht ... und später, daß er heute ausfällt. Warum, weiß niemand. Kurzerhand werden einige Kubaner aus dem Flieger nach Holguín geworfen, so daß wir ihre Plätze erhalten. Reisende sind für das Regime Gott sei Dank stets Bürger 1. Klasse - Sozialismus ist eben immer auch Asozialismus. Von Holguín fahren wir dann mit einem Schrottbus weiter und kommen mit nur einem halben Tag Verspätung an der karibischen Küste an. All dies ist natürlich kein Grund, an den Errungenschaften der Revolution zu zweifeln!
Piraterie ist heute auf Kuba nur noch an Touristen erlaubt, früher ging es auf der Insel allerdings weitaus wilder zu. Doch Obacht: pirata non est pirata! In der Hafenfestung El Morro werden wir über den Unterschied zwischen Freibeutern, Seeräuber und anderen Lumpengesellen aufgeklärt und stoßen auch auf Jacques Jean David Nau, den wohl häßlichsten aller Piraten. Mit dem Gesicht blieb ihm aber auch gar nichts anderes übrig!
Unser Tour führt uns auf den Spuren von Fidel & Che weiter nach Norden. In jedem Dorf stoßen wir auf revolutionäre Durchhalteparolen, die Hälfte aller Kindergärten, Schulen und Imbißstuben ist nach dem "Vater der Kubaner" José Martí oder dem 1. Januar benannt. Ist in Kuba nach 1959 denn wirklich überhaupt nichts Wichtiges mehr passiert? Schließlich landen wir im Städtchen Camagüey, das zum Schutz vor Piraten wie ein Labyrinth angelegt wurde. Es ist außerdem die einzige Stadt der Welt, in der man mit dem Fahrrad in die Kirche fahren kann. Pray-In, eigentlich ja eine sehr US-amerikanische Idee! Später entdecken wir in Trinidad den einzigen kubanischen Frühstückstisch, der europäischen Ansprüchen genügen kann. Allerdings steht er in einem Museum und gehörte mal dem Zuckerbaron Brunet. Apropos Frühstück: Als ich am nächsten Morgen im Frühstücksraum ein wenig am Müslispender drehe, bricht der ganze Apparat zusammen. Anschlag auf den Apparat - wie revolutionär!
Unsere Reise endet in der Hölle von Varadero (die Hölle, das sind die anderen!). Ohne es zu wissen, hatten wir ein Superior-Zimmer gebucht. Und "superior" heißt: in unmittelbarer Nähe zum entsetzlichen Animationsbereich. Glücklicherweise können wir unser Zimmer tauschen. Am 24.12. möchte uns die Hotelbesatzung mit einem festlichen Dinner noch einmal die Überlegenheit des sozialistischen Wirtschafts-systems beweisen. Und tatsächlich: Es bilden sich sofort lange Schlangen vor dem Hotelrestaurant, q.e.d.! Aber immerhin funktioniert nun auch wieder eine der beiden Kaffeemaschinen.
Hasta la victoria siempre!