Ich gehöre ja zu den (sehr) wenigen Baden-Württembergern, die sich tatsächlich als Baden-Württemberger sehen. Wahrscheinlich liegt es daran, daß ich keiner bin. Aus Sicht der Ureinwohner gibt es ja schließlich nur Badener und Schwaben. Die Spannungen zwischen beiden Landeshälften sind legendär. Bis heute fühlen sich die Badener rund um die Uhr über den Tisch gezogen. So hält die halbe Welt Carl Benz für einen schwäbischen Ingenieur. Außerdem hat Stuttgart eine U-Bahn und Karlsruhe (noch) nicht – unerhört!
Ab und zu sollte man aber etwas für die Volkerverständigung tun und den Schritt über die Stammesgrenze wagen. Wir fahren also in die Landeshauptstadt und besichtigen den ersten Fernsehturm der Welt, Stuttgarts Beitrag zur Architektur der Moderne. Auf 150 Meter Höhe sind wir erst einmal ein bißchen enttäuscht: Wie bitte, Milchglasscheiben auf der Aussichtsplattform? Doch die Bausünde entpuppt sich als Hochnebel - Glück bzw. Pech gehabt! Apropos Glück: Am Fuße des Turms feiert der Qualitätsradiosender SWR4 gerade ein "Sommer"fest, doch dank des schlechten Wetters ist kaum etwas los, puh. Ein kategoriengetreuer Volksmusiksänger namens Oliver Thomas kümmert sich auf der Bühne um die musikalische Grundversorgung im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages. Wir kümmern uns darum, daß wir möglichst schnell wegkommen.
In der Stadt machen wir eine empörend unschwäbische Erfahrung. Auf manchen Gehwegen ist hier und da ein verwelkendes Laubblatt zu sehen, wir entdecken sogar ein weggeworfenes Kaugummipapier! Hat die Schwabenmetropole Natur und Bürger nicht mehr im Griff? Sorgenvoll setzen wir uns in die sensationelle Zahnradbahn, die uns am Restaurant Wielandshöhe vorbei nach Degerloch befördert. Möglicherweise liest Vincent Klink hier ja nicht mit, aber falls doch: Verordnen Sie Ihrem Laden doch bitte mal eine akzeptable Website!
All die neuen Eindrücke haben uns hungrig gemacht, und so begeben wir uns ins schicke Goi nach Feuerbach. Gaby, Doris und Anke bestellen seriöse Menüs, aber ich entscheide mich natürlich für eine Extrawurst, nämlich das vegetarische Gericht "V8". Das hat Folgen. Beim Bezahlen versucht uns die Bedienung ganz aufgeregt klarzumachen, daß ihre Lieblingsgerichte V3, V4 und V5 seien. V8 sei aber an Muttertag das traditionelle Gericht der buddhistischen Mönche! Bzw. alle Mönche würden vegetarisch essen! Bzw. an Muttertag werden viele Vegetarier in Thailand zu Mönchen! Oder umgekehrt oder so. Wir werden aus ihren Ausführungen nicht schlau, auch wenn die Dame durchaus den einen oder anderen Brocken Deutsch spricht. Am Ende erklärt sie die verblüffte Gaby zur Stammkundin.
Schwabenland, du hast es besser!