Donnerstag, 28. Februar 2008

Möchtegern-Ivan

Hans-Rolf Rippert aus Berlin-Spandau ist tot. Wer das für keine Nachricht hält, sollte bedenken, daß er als einer der berühmesten Russen der Welt galt, ohne überhaupt einer zu sein. Hier kann man sich noch einmal seinen größten Hit anhören.

Doppelt hält besser

Die Jungs & Mädels vom Sprachsiegel haben ihren Webauftritt sprachlich nun noch einmal verschlechtert. Die Begrüßung lautet nun:

Umständlich geht´s immer. Einfach geht´s besser:
Mit dem VDS-Sprachsiegel. Wer es hat, spricht die
Sprache seiner Kunden: klar, logisch, treffend.
Und die Kunden wissen das, und wissen das zu schätzen
- weil sie Produkt, Präsentation und Preise verstehen.

Hier eine Satzdopplung, dort eine Alliteration - fertig ist das Werbegebrabbel.

Mittwoch, 27. Februar 2008

Zug um Zug

Ich trudele etwas spät auf dem Bahnhof ein. Mein Zug soll um 16.51 Uhr losfahren, um 16.48 Uhr stehe ich auf dem Bahnsteig. Doch Entwarnung: Der ICE hat 10 Minuten Verspätung. Kann ich also noch wagen, unten im Kiosk ein Getränk zu kaufen? Lieber nicht, man kann ja nie wissen ... Doch dann eine brandaktuelle Durchsage: Der ICE kommt jetzt sogar 20 Minuten später! Ich habe also etwa bis 17.11 Uhr Zeit und marschiere los. Schon um 16.58 Uhr bin ich aber zurück auf dem Bahnsteig - und sehe den ICE einfahren. Noch mal Glück gehabt. Nicht einmal auf Verspätungen kann man sich bei der Deutschen Bahn noch verlassen.

Montag, 25. Februar 2008

Premium

Aldi Süd ruft Premium-Frikadellen zurück. Wörter gibt's ...

Baden in Baden-Baden, Baden

Fiat luxus! Getreu diesem Motto stimmen wir uns auf den Frühling ein - mit einem Tagesausflug nach Baden-Baden. Unsere Anreise per Bahn ist gewiß nicht der Gipfelpunkt des mondänen Lebens, verschafft uns aber wenigstens einen Einblick in die neue Kommunikationsstrategie der Deutschen Bahn AG: Tautologie. Als wir nämlich plötzlich mitten auf der Strecke liegenbleiben, begründet dies der Mann im Lautsprecher mit einer "Störung im Betriebsablauf". Aha - wir haben also eine Störung im Betriebsablauf, weil wir eine Störung im Betriebsablauf haben. Vielleicht unsinnig, aber immerhin nicht falsch!

Auf dem Augustaplatz schlendern wir zunächst am Zelt des Deutschen Medienpreises vor, der in diesem Jahr an Steffi Graf und Andre Agassi geht, wahrscheinlich für ihr Lebenswerk. Aber wen interessiert das schon so genau. Nach einer kleinen Stärkung geht es dann weiter zum Ziel unserer Reihe, dem Friedrichsbad. Es wird inzwischen von "zwei Doktoren aus der Schweiz" geführt, wie uns eine Mitarbeiterin ehrfurchtsvoll berichtet.

Unsere erste Station: KneippVital. Durch warmes Wasser stapfen, Stufe hoch, Stufe runter, durch kaltes Wasser stapfen, Stufe hoch, Stufe runter ... Und das immer und immer wieder. Während des Marathons geht mir allerlei Unsinn durch den Kopf. Angenommen, es gäbe keinen sonstigen Wärmeaustausch - wie lange würde es wohl dauern, bis beide Wasserbecken dieselbe Temperatur haben, allein durch die Tröpfchen am Fuß? Ich bin ganz ernsthaft am Überschlagen und Hochrechnen, als die (wie? nur?) 20 Minuten vorbei sind. Kneipp und Thermodynamik, wer hätte das gedacht!

Anschließend müssen wir auf die Massagebank. Eigentlich gibt es bei etwas sportiveren Massagen nur zwei Möglichkeiten: Man war entweder vorher ein Wrack - oder ist es hinterher. Für uns gilt der erste Fall, wie uns die beiden Kneter versichern. So muß sich ein Auto nach der Reparatur fühlen.

Doch weil wir so tapfer waren, winkt uns am Ende eine schöne Belohnung: das herrliche Kaiserbad. Man reicht Sekt & Selters, außerdem geben die ausliegende Zeitschriften Hinweise auf die Klientel des Hauses. Vogue, natürlich - aber auch irgend etwas Kyrillisches.

Freitag, 22. Februar 2008

Raff-Gier

Das Staatsfernsehen läßt nicht locker. Auch künftig werden ARD und ZDF wohl ihre Gebührengelder mißbrauchen nutzen, um ihre Online-Aktivitäten auszubauen. Inhaltliche Notwendigkeit und gesellschaftlicher Nutzen: null.

Teuro

Schnäppchenjäger aufgepaßt! Tchibo verkauft die neuen Euro-Münzen aus Malta. Das 3,88-Euro-Set kostet dort nur schlappe 6,50 Euro. Wenn das kein Angebot ist!

Sprechmittel

Der Verein Deutsche Sprache wird erwachsen. Nachdem der Verein jahrelang praktisch nur für seine Mahnungen bekannt war, möchte er nun auch durch positive Beiträge auffallen. Darum hat er jetzt ganz frisch das Sprachsiegel ins Leben gerufen, eine Art TÜV-Plakette für deutsche Sprache. Schön die Eigenwerbung auf der Startseite: "Umständlich geht´s immer. Einfach geht´s besser: Mit dem VDS-Sprachsiegel. Wer es hat, spricht die Sprache seiner Kunden: klar, logisch, treffend". Billiges Stakkato-Werbedeutsch, zwei falsche Apostrophen und auch noch ein Rechtschreibfehler - kongruent!

Grundsätzlich ist die Idee des VDS ja nicht schlecht, Sprachmüll gefällt niemandem. Aber wird auch nur ein einziges Unternehmen bis zu 9.000 Euro für die Sprachsiegel-Zertifizierung zahlen? Wer sich das Siegel auf eine Werbebroschüre pappt, outet sich damit in der kulturfernen deutschen Öffentlichkeit sofort als Bildungsbürger und/oder Freund der nationalen Symbolik. Beides trägt nicht zwangsläufig zu einem höheren Abverkauf des beworbenen Produkts bei.

Und "E-Post" statt "E-Mail" auf der Kontaktseite ist wohl ein Manierismus, der der Sache nicht unbedingt dienlich ist - vor allem, wenn man einen falschen Server angibt. Lieber Herr Dr. Pogarell, Ihre E-Mail-Adresse lautet: info@betriebslinguistik.de. Mit S!

Wie könnte man der deutschen Sprache tatsächlich helfen? Vielleicht wäre vernünftiger Deutschunterricht keine schlechte Idee. Oder ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der auf Dudelprogramme verzichtet und statt dessen seine Bildungs- und Kulturfunktion etwas ernster nimmer ...

Donnerstag, 21. Februar 2008

Von A bis Z'tett

Bernard Strubers Z'tett im Jazzclub Karlsruhe! Der Abend wirkt zunächst etwas dual: Franzosen auf der Bühne, Deutsche im Publikum - da fragt man sich beinahe, warum man Konfrontationen nicht auch schon vor 90 Jahren auf diese Art und Weise organisieren konnte. Doch für unsinnige Gedanken bleibt wenig Zeit, denn das Konzert geht sofort los! Nach dem ersten Stück mit einem fantastischen Trompetensolo schockt uns ein Kurzkommentar von Struber: "Das war särrr häßlisch!" Was hat er denn? Die Aufklärung kommt wenig später - er meint einfach nur seinen Trompeter, Serge Haessler! Ach, unsere Fronsose und ihr wunderschön Döitsch ... Herrlich sachdienlich auch seine nächste Ansage: "An einem der teuersten Instrumente des Orchesters - Fred Norel!"

Bei all den Witzen ist es gar nicht so leicht, sich auf die Musik zu konzentrieren. Im Z'tett spielen ja einige der renommiertesten Jazzer Frankreichs, und sie schaffen es tatsächlich, Strubers druckvolle Kompositionen fast in Studioqualität auf die Bühne zu bringen. Die Musik hält perfekt die Balance zwischen Geheimnis und Zugänglichkeit. Toll!

Wer möchte, kann sich das Konzert übrigens am 24. März um 21.05 Uhr im Radio anhören (meinetwegen auch im Webradio) - der Deutschlandfunk hat mitgeschnitten.

Schuß mit lustig

Im Sandkasten gelten harte Regeln. Wenn Maxi heute mit einem 3-Liter-Eimer ankommt, braucht Julian morgen noch einen größeren. Und Maxi dann eine neue Schaufel. Und, und, und.

In der Weltpolitik ist es nicht anders. China hatte neulich einen Satelliten abgeschossen, und die USA müssen nun wohl oder übel mithalten. Aber weil sie ja ein zivilisiertes Land sind, begründen sie den Abschuß mit Gefahren für die Bevölkerung, die vom hochgiftigen Treibstoff des Himmelskörpers ausgingen. Das ist eine klar erkennbare Quatschbegründung, aber Spiegel online druckt sie natürlich ab, ohne mit der Wimper zu zucken. Gibt es dort denn wirklich niemanden, der bei der Arbeit mal sein Gehirn anschaltet? Vierte Gewalt - schon mal gehört?

Wie es besser geht, zeigt ausgerechnet der IT-Dienst heise online.

Dienstag, 19. Februar 2008

Kohleabbau

Die deutsche Öffentlichkeit ist empört: Pöse Puben haben mit Hilfe des Schurkenstaates Liechtenstein unser wunderbar gerechtes Land um bis zu 400 Mio. Euro betrogen. Ein paar Gauner haben sich auf Kosten der Allgemeinheit Vorteile beschafft. Das darf nicht sein, die Burschen gehören streng bestraft!

Stimmt natürlich. Aber was sind schon 400 Mio. Euro? Selbst nach äußerst konservativen Schätzungen zahlt Rabenvater Staat jedes Jahr mindestens das 50fache davon an einen erlesenen Kreis aus, selbstverständlich auf Kosten des Steuerzahlers. Die Begünstigten nennt man dann natürlich nicht Steuerbetrüger, sondern Subventionsempfänger. Aber das Prinzip ist dasselbe: Eine Minderheit bereichert sich an der Mehrheit.

Wie, was, Subventionen dienen der sozialen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Entwicklung? Ach so! Na, dann ist ja alles in bester Ordnung.

Montag, 18. Februar 2008

Zocker unterwegs

Was ist Meckesheim? Ein Ort in Zentraleuropa, über den es nicht viel zu sagen gäbe ... wenn man dort nicht bei einer geheimnisumwobenen Garagenfirma äußerst günstig anspruchsvolle Spiele kaufen könnte! Roger hat dort schon so manchen Euro gelassen und nimmt mich diesmal mit zur großen Einkaufstour. Er hat natürlich einen systematischen Plan und stapelt Spiel auf Spiel, während ich noch über die günstigen Kostbarkeiten staune. Aber ich will ja eigentlich nur schauen - und bleibe hart. Gekauft wird nichts! Doch schließlich entdecke ich einige Klassiker, die mich schon immer gereizt haben: Diplomacy, Civilization, Acquire - und das sensationelle Feudal von 1967, eine Art Action-Schach. Und wo ich schon mal dabei bin, kann ich ja gleich noch Wikinger und ein paar Titel des schwäbischen Spezialitätenverlags Adlung dazulegen. Und vielleicht noch Lost Cities. Diesen Geniestreich von Reiner Knizia habe ich zwar schon längst, aber schaden kann es sicher nicht ...

Schwer beladen, aber glücklich machen wir uns auf den Heimweg. Wieder einige Spiele mehr im Fundus, deren Praxiseinsatz höchst fraglich ist.

Donnerstag, 14. Februar 2008

Eulenspiegel

Man weiß bald wirklich nicht mehr, welche Nachrichten man dem Boulevardmagazin Spiegel online glauben kann und welche nicht. Aktuelles Beispiel anläßlich des Rücktritts eines Gefängnisdirektors: "Die Kündigung kommt in einem Moment, in dem die Verfassungsmäßigkeit der Exekution per Giftspritze vor dem Obersten Gericht der USA verhandelt wird. Sinkende Steuereinnahmen machen es den Kommunen immer schwerer, die benötigten zusätzlichen Plätze in Gefängnissen zu schaffen".

In den USA gibt es rund zwei Millionen Gefängnisinsassen, etwa dreitausend von ihnen warten auf die Todesstrafe - also etwas mehr als ein Promille. Das ist natürlich barbarisch, aber trifft die Spiegel-Nachricht zu? Stehen die US-Kommunen vor finanziellen Schwierigkeiten, weil Todeskandidaten künftig nicht 20 Jahre im Knast sitzen, sondern lebenslänglich? Und sich dadurch Verschiebungen im Promillebereich ergeben? Oder hat Spiegel online einfach nur ungeprüft Agenturquark übernommen?

Man könnte das für ein unwichtiges Detail halten - wenn es nicht so oft Hinweise auf Quatschberichterstattung gäbe ...

What a Messe

Wir sind zur Eröffnung der Messen Giardina und Inventa eingeladen, die zeitgleich stattfinden. Karlsruhe möchte sich ja seit einiger Zeiten zu einem Messeplatz mit überregionaler Bedeutung entwickeln, und das Konzept scheint aufzugehen: Wir treffen auf Aussteller aus Jockgrim, Malsch und sogar Pforzheim. Wow, wow und nochmals wow!

Zunächst nehmen wir eine kleine Schwächung zu uns (ein Mainstream- Sektchen) und machen uns dann auf unsere Rundtour. Auf der Giardina sind wirklich schöne Gärten zu bewundern, ich entdecke aber auch so manche Witzvorlage. Vor einem japanischen Garten steht zum Beispiel: "Betreten verboten". Wäre "Betreten gucken verboten" nicht angemessener für die deutsche Betroffenheitsgesellschaft? Auch die Häppchen und Buletten können durchaus überzeugen.

Die "Lifestyle-Messe" Inventa hingegen macht ihrem Namen nicht unbedingt Ehre, sie wirkt zunächst wie ein Panoptikum des Bewährten. Kurz vor Schluß stoßen wir allerdings noch auf den Estrich- und Parkettexperten Abert. Er wirbt doch tatsächlich mit der Management-Platitüde der 80er Jahre: "Es gibt keine Probleme. Es gibt bloß Aufgabenstellungen". Ich nehme natürlich sofort Witterung auf und werfe später einen Blick auf seine Homepage. Touché: "Sehr geehrter Gast, willkommen in unserem virtuellen Geschäft". Na bitte, das ist doch immerhin irgendwie kongruent. Eine Firma, die sich auch auf glattem Parkett zu bewegen versteht.

Karlsruhe vaut bien une messe.

Zur Kasse, bitte

Wenn es um Hedgefonds geht, sind sich unsere Politiker nicht einmal für die größten Quatschaussagen zu schade. Wenn aber wieder einmal eine Institution aus dem Umfeld der öffentlichen Banken abzusterben droht, sind alle schnell mit Milliardenpaketen zur Stelle. Ist ja auch verständlich, denn in der Vergangenheit waren diese Einrichtungen wunderbar bequeme Ruhekissen für verdiente cronies. Die will man sich natürlich erhalten. Außerdem kann man solche Unterstützungsaktionen prima mit den üblichen Worthülsen begründen, zum Beispiel "öffentlicher Auftrag" oder "soziale Gerechtigkeit".

Dienstag, 12. Februar 2008

Bridges to Babylon

Festlicher Nachmittagsempfang bei Anke. Ich stehe mit einem Gläschen Sekt in der Küche und unterhalte mich prächtig, als plötzlich ihre 16(!)jährige Nichte Isabel auftaucht und mit mir ein Gespräch über Sophokles' Antigone beginnt. Außer einigen peinlichen Allgemeinplätzen kann ich wenig zur Diskussion beitragen und stehe kurz vor einer Blamage, als mir das rettende Argumente einfällt: Mein Interesse gälte ohnehin ausschließlich der babylonischen Literatur, da die alten Griechen ja nichts als einfallslose Kopisten gewesen seien. Das impertinente Mädchen hat selbst Schuld. Pflichtkultur schön und gut, aber man darf solche Kenntnisse doch nicht dazu nutzen, uns Kulturfreunde bloßzustellen. Welch profanes Zweckdenken!

Postskriptum: Der Babylonier-Konter ist mir natürlich erst sehr viel später eingefallen. Wie immer. Man sollte Spontaneität stets sehr gut vorbereiten.

Montag, 11. Februar 2008

Firlefinanzamt

Ich würde nie auch nur auf die Idee kommen, den Staat als die größte verbrecherische Organisation in Deutschland zu bezeichnen, denn das wäre ja womöglich ein Verstoß gegen § 90a StGB. Unseren rein auf Vernunftprinzipien basierenden Staat, seine Verfassung oder eines seiner Symbole verunglimpfen? Gott bewahre!

Wie soll man es aber statt dessen nennen, daß ich jetzt mehrere hundert Euro Strafe ans Finanzamt zahlen soll, weil ich meine Umsatzsteuer- voranmeldung (über einen ziemlich trivialen Betrag) zwei(!) Tage zu spät abgegeben habe? Ja, ja, ich weiß, Regeln müssen eingehalten und Verstöße geahndet werden. Aber hier schießt der Staat doch mit Kanonen auf Spatzen. Wenn hingegen ein Bundesminister klare Verfassungsverstöße vorschlägt, passiert gar nichts.

Freitag, 8. Februar 2008

Leimgruber, Demierre, Philips

Bislang war für mich Alexander von Schlippenbach das Maß alles Dinge, wenn es um Freejazz ging. Noch freier, noch mehr Improvisation - geht das überhaupt? Aber hallo! droht mir Karsten an, bevor das Konzert von Urs Leimgruber, Jacques Demierre und Barre Philips beginnt. Die Bude ist voll, was bei radikalem Freejazz einigermaßen ungewöhnlich ist. Aber es spielen ja drei "Musiker von Weltrang", wie uns das Programmheft des Jazzclubs Karlsruhe wie immer höchst kenntnisreich informiert. Außerdem schneidet wieder mal der SWR mit, folglich scheint es spannend zu werden. Also rein ins Vergnügen!

Und tatsächlich: LDP sind echte Freiheitskämpfer. Man hat im Jazzclub ja schon so einiges gehört, aber was die drei auf der Bühne mit ihren Instrumenten anstellen, ist schon erstaunlich. Held des Abends ist Urs Leimgruber, der aus seinem Instrument außerordentlich unsaxophonische Klänge herauskitzelt.

In der Pause schwebt plötzlich ein großes Fragezeichen über dem Publikum. Ist das schon die Pause oder noch Teil des Stückes? Urs Leimgruber bewegt sich in merkwürdigen Schritten über die Bühne. Nach kurzer Zeit wird uns klar, daß das Scharren auf der Bühne kein Geräusch ist, sondern Bestandteil der Musik 1). Dann verlangt er von Elke ein grünes Handtuch. Wir rätseln, welche musikalische Bedeutung die Farbe wohl hat? Doch es stellt sich heraus, daß das Handtuch selbst in diesem Fall keine kulturelle, sondern lediglich hygienische Bedeutung hat, puh.

Ein sehr beeindruckendes Konzert.



1) "Organisierte Geräusche", wäre das mal eine hinreichend allgemeine Definition des Begriffs "Musik"?

Dienstag, 5. Februar 2008

Microsoft wirbt für Apple

Es ist kaum zu glauben, aber nun habe ich doch tatsächlich einen Vorteil von Windows Vista entdeckt! Wenn man einen Dateinamen zum Umbenennen anklickt, wird nur der Name markiert, nicht aber die Dateienamen-Erweiterung. Eine PDF-Datei bleibt also eine PDF-Datei, da ist offenbar ausnahmsweise wirklich einmal nachgedacht worden!

Weitere positive Aspekte des neuen Betriebssystems kann ich leider nicht finden. Vista macht einem das Leben so schwer, wie es nur geht. Der Monitor schaltet sich zum Beispiel bei mir nach einer gewissen Zeit aus, auch wenn ich die entsprechende Energiesparoption deaktiviert habe. Zur Freude aller Beteiligten vergißt Vista dann beim Neustart des Monitors die Farbeinstellungen, so daß ich etwa zweimal pro Tag meinen Monitor neu kalibrieren muß. Herrlich, man hat ja sonst nichts zu tun! Daß sich Windows bei den Desktop-Icons regelmäßig verschluckt, weil noch ein externer Monitor am Gerät hängt, fällt da kaum noch ins Gewicht. Gelegentlich steigt die Systembelastung außerdem ohne erkennbaren Grund auf 100 Prozent, was selbst den Windows-Neustart zu einer Qual macht.

Ich bin beileibe kein Mac-Freund, aber ist Windows Vista die beste Werbung für Apple, die es je gab?

Montag, 4. Februar 2008

Alltägliches, Allzualltägliches

Eigentlich möchte ich ja bloß zur Stadtbibliothek, um einige CDs abzugeben. Dann wird aber alles absurder als geplant. Auf der Kaiserstraße stoße ich auf ich etwa zehn Unentwegte, die reimend gegen die Arbeitsmarktreformen demonstrieren: "Wir sind laut, wir sind hier. Wir protestier'n, was macht Ihr?" "Arbeiten", entgegnet ein Passant sachlich nicht unwahr und gewinnt damit sofort die Sympathien des Publikums. Doch die Demonstranten lassen sich davon nicht einschüchtern und nutzen weiter ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Demonstrations- und damit auch Parolenfreiheit, so literarisch wertlos sie auch sein mag. "Wir sind laut, wir sind hier. Bis zum Ende - von Hartz vier!" Bis zum Ende von Hartz IV auf der Kaiserstraße Lyrik produzieren, nun ja ... Ob das ein geeignetes Mittel ist, um der Arbeitslosigkeit zu entkommen? Man kann das bezweifeln.

Wenig später erreiche ich die Stadtbibliothek. Die hat natürlich heute geschlossen, aber es gibt ja seit einiger Zeit die schicke Automatikrückgabe, die man auch von draußen nutzen kann. Gott sei Dank! Ich entledige mich also meiner CDs und warte, was passiert. Die drei CDs verschwinden ... doch der Automat quittiert mir nur zwei und unterschlägt Wolfgang Rihms Kammermusik. Vielleicht ist die Maschine mit Rihms "Musik" vertraut und kämpft darum gegen sie an, wo sie nur kann. Vielleicht ist aber auch einfach nur der Scanner defekt. Ich stehe jedenfalls loriotesk vor dem Gerät und reime im Stillen: "Ich bin laut, ich bin hier. Die CD - gib sie mir!".

Im Ettlinger-Tor-Zentrum erreicht der Abend dann seinen Höhepunkt. Auf der Rolltreppe stehen zwei 16jährige Mädchen vor mir, die ich sofort als typische DSDS-Zuschauer identifiziere: uninteressiert, gelangweilt und geistlos. Kurz bevor ich mein Vorurteil endgültig fällen kann, erhasche ich ein überraschendes Satzfragment: " ... aber Realität, was soll das schon sein!". Platon, Hume, Kant, Popper, die ganze europäische Erkenntnistheorie in sieben Wörtern! Realitätskritiker nun auch schon unter unseren Jugendlichen? Das ist ja fast noch schlimmer als Deutschland sucht den Superstar ...

Zu Hause erreichen mich dann noch verblüffende Nachrichten aus Mitte. Bernhard hat sich mit Jim Rakete getroffen. Karlsruhe ist nicht Berlin, ich habe es immer gewußt.

Sonntag, 3. Februar 2008

Organisierte Trivialität

Ich war immer überzeugter Anti-Faschingst. Doch die Zeiten ändern sich, Menschen werden reifer und weiser. Und nun hat mir ein Zwangsbesuch der Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft Badenia zu einem völlig neuen Blick auf den deutschen Karneval verholfen.

Betrachtet man nämlich zum Beispiel eine Prunksitzung nicht als Veranstaltung, sondern als Sujet, ergeben sich interessante Einblicke in soziale und politische Strukturen. Der Karneval sah sich ja schon immer als gesellschaftliches Spiegelbild, doch ist er es vielleicht sogar noch auf einer höheren Ebene. Beispiel Elferrat: Die grenzdebilen Herren geben sich auf der Bühne als große Spaßvögel, nehmen aber natürlich das Vereinsleben bitterernst und fechten Grabenkämpfe aus, gegen die Douaumont ein Spaziergang war. In diesem Punkt bilden sie einen Gegenentwurf zu unseren Politikern, die den Unernst zum Prinzip erhoben haben - es sei denn, irgendwo in der Nähe steht eine Kamera.

Besonders erstaunlich: Im Karneval gibt es auch heitere Momente. Während der fünfstündigen(!) Sitzung in der auf subtile Weise reaktionären Badnerlandhalle erlebe ich gleich zwei lustige Episoden. Nummer 1: Als eine Faschingstruppe mit großem Pomp in den Saal einzieht, gerät ein armer Kellner in den Strudel und versucht, sich durch tiefes Ducken aus der Affäre zu ziehen. Seine Verrenkungen erinnern an Buster Keaton, sein Blick an Loriot, wunderbar. Nummer 2: Eine Frau zieht nach ihrem Bühnenauftritt ihre ziemlich gruselige Maske aus - und sieht darunter fast genauso aus. Soviel Realität gibt es sonst doch nur im Film!

Kurz vor Schluß dann noch ein echtes Highlight: die Basselschorra aus Büchenau spielen wirklich vorzügliche Guggemusik.