Organisierte Trivialität
Ich war immer überzeugter Anti-Faschingst. Doch die Zeiten ändern sich, Menschen werden reifer und weiser. Und nun hat mir ein Zwangsbesuch der Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft Badenia zu einem völlig neuen Blick auf den deutschen Karneval verholfen.
Betrachtet man nämlich zum Beispiel eine Prunksitzung nicht als Veranstaltung, sondern als Sujet, ergeben sich interessante Einblicke in soziale und politische Strukturen. Der Karneval sah sich ja schon immer als gesellschaftliches Spiegelbild, doch ist er es vielleicht sogar noch auf einer höheren Ebene. Beispiel Elferrat: Die grenzdebilen Herren geben sich auf der Bühne als große Spaßvögel, nehmen aber natürlich das Vereinsleben bitterernst und fechten Grabenkämpfe aus, gegen die Douaumont ein Spaziergang war. In diesem Punkt bilden sie einen Gegenentwurf zu unseren Politikern, die den Unernst zum Prinzip erhoben haben - es sei denn, irgendwo in der Nähe steht eine Kamera.
Besonders erstaunlich: Im Karneval gibt es auch heitere Momente. Während der fünfstündigen(!) Sitzung in der auf subtile Weise reaktionären Badnerlandhalle erlebe ich gleich zwei lustige Episoden. Nummer 1: Als eine Faschingstruppe mit großem Pomp in den Saal einzieht, gerät ein armer Kellner in den Strudel und versucht, sich durch tiefes Ducken aus der Affäre zu ziehen. Seine Verrenkungen erinnern an Buster Keaton, sein Blick an Loriot, wunderbar. Nummer 2: Eine Frau zieht nach ihrem Bühnenauftritt ihre ziemlich gruselige Maske aus - und sieht darunter fast genauso aus. Soviel Realität gibt es sonst doch nur im Film!
Kurz vor Schluß dann noch ein echtes Highlight: die Basselschorra aus Büchenau spielen wirklich vorzügliche Guggemusik.
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