Sonntag, 29. Juni 2008

Hafenkultur

Es gibt nur wenige Phänomene, die schlechter zu Karlsruhe passen als Freddy Quinn oder Hans Albers. Und doch hat ausgerechnet die Fächerstadt einen der größten Binnenhäfen Deutschlands. Einmal pro Jahr feiert der Rheinhafen sein Hafenkulturfest, und in diesem Jahr wollen wir uns erstmals darüber informieren, wie sich die Hafenkultur bei uns am Rhein ausdrückt.



Wir werden auf badische Weise überrascht. Hafenkultur, das ist in Karlsruhe offenbar zum Beispiel eine alte Dampflok, die rußend übers Gelände fährt. Oder Bungee-Trampolinspringen, Flammkuchen und Blaskapellen. Bei diesen sorgfältig choreographierten Angeboten kommt echte Seefahrerstimmung auf! Wir sind beinahe schon bereit zum Anheuern, als wir auf die maritimste Attraktion überhaupt stoßen: einen Helikopterflug zum Baggersee Maximiliansau und zurück! Unser Pilot entspricht so sehr dem Urbild des Piloten (Brille, Frisur, Armbanduhr!), daß man ihn einfach für einen Platoniker halten muß. Oder ist er Kantianer und folglich eher der Pilot an sich? Wir werden es nie erfahren, denn der kurze Flug erlaubt keinen Austausch philosophischer Argumente.

Ein wenig exotisch wirkt angesichts der vielen seefahrtfernen Angebote die Rundfahrt mit der stolzen MS Karlsruhe, die wir uns gönnen (immerhin ist sie gratis). An Bord drehe ich meinen allerersten Film überhaupt. Er fällt durch strengste Linearität (3 km vorbeiziehender Kai) und eine überraschende inhaltlich-formale Konfrontation zum Ende hin auf. Das Werk entzieht sich einer klaren Interpretation, aber wer ein wenig Geduld mitbringt, sollte sich den Streifen ansehen - auf Wunsch schicke ich ihn gern zu. Zu den weiteren Erlebnissen an Bord gehören der schlechteste Cappuccino der letzten 15 Jahre und eine Zeitreise in die 70er Jahre (hervorgerufen durch das Mobiliar im Unterdeck).

Wir verlassen das Hafenkulturfest als Matrosen. Auf dem Heimweg erleben wir noch einen echten Alb-Traum. Die Alb ist ja vor einiger Zeit naturnah umgestaltet worden. Allmählich beginnen die Umbaumaßnahmen zu greifen, und wir wähnen uns angesichts der schönen Uferwege fast an der Isar. Karlsruhe - Provinzstadt mit Herz!

Samstag, 28. Juni 2008

Die Entdeckung der Langsamkeit

Nicole & Michael sind nach ihrer Hochzeitsreise mal wieder in Karlsruhe, und die ganze Rasselbande trifft sich zum Frühstück im Stövchen in der Waldstraße. Es beginnt mit einer Überraschung: Nach wenigen Metern bricht mein Pedal ab, klasse! Irgendwie schaffe ich es aber dennoch ins Stövchen. Ich sitze keine 5 Minuten auf der harten Bank, als mir die Bedienung ein Glas Orangensaft über die Hose kippt - herrlich erfrischend bei dem schwülen Wetter. Nach nur einer halben Stunde ist endlich unser Frühstück da. "Nehmt euch ein wenig Zeit und schaut euch in aller Ruhe unsere Angebote an", dieser von der Stoa inspirierte Satz von der Stövchen-Website ist offenbar durchaus wörtlich zu nehmen. Meinen zweiten Latte macchiato kann ich jedenfalls nicht mehr genießen, denn als er nach ca. einer Stunde immer noch nicht am Tisch ist, beschließen wir zu zahlen.

Badische Weinstuben, paßt auf!

Ein Klavier, ein Klavier

Klavierabend der Klasse Prof. Kaya Han in Schloß Gottesaue. Young Hwangbo beginnt Mozarts Sonate KV 570 ein wenig hölzern, steigert sich aber zum Schluß in ein wirklich spritziges Allegretto. Bereits im zweiten Stück der Höhepunkt des Abends: Schuberts monumentale B-Dur-Sonate D 960, von Anfang bis Ende bemerkenswert ausdrucksstark gespielt von Marcelo Silva Gama. Der ganze Genuit-Saal staunt! Von diesem zurückhhaltenden Pianisten wird man noch hören.

Im nächsten Stück erwartet uns dann ein Stück von dem Mann, der für mich noch immer der lächerlichste Komponist der abendländischen Tradition ist, obwohl er nun ja auch schon fast ein Jahrhundert lang tot ist: Alexander Skrjabin. Die Sonate ist erwartungsgemäß brachial und wirkt zu Beginn so aufgeregt, als sei sie von Hugo komponiert worden. Jedenfalls vollführt die ältere Dame vor uns fortwährend merkwürdige Kieferbewegungen, die sogar von hinten ausgezeichnet zu sehen sind. Nun ja, bei dieser Musik ist vieles entschuldbar.

Am Ende hören wir noch zwei Werke Béla Bartóks, die außerordentlich stark nach Béla Bartók klingen.

Iubilare humanum est

Bosch feiere im nächsten Jahr ein 100. Jubiläum (nämlich das der Produktion in China), schreibt die F.A.Z. Wirklich das hundertste? Das würde bedeuten, daß Bosch seit einem ganzen Jahrhundert in jedem Jahr ein China-Jubiläum feiert. Höchst unwahrscheinlich, vor allem wenn man bedenkt, wie sparsam die Schwaben doch sonst sind!

Gemeint ist natürlich: Bosch feiert im nächsten Jahr das Jubiläum der 100jährigen Produktion in China. Notfalls kann man meinetwegen auch vom "100jährigen Jubiläum" sprechen. Aber bitte niemals vom "100. Jubiläum".

Freitag, 27. Juni 2008

Von Bush zu Adorno

Wie kommt man in drei Schritten vom größtmöglichen Praktiker zum größtmöglichen Theoretiker?

Ganz einfach: In San Francisco wird bald möglicherweise eine Kläranlage nach George W. Bush benannt. Endlich lande er dort, wo er hingehöre - in einem Sch***haufen! ereifert sich Anne. Was denn das für ein Jargon sei, empöre ich mich. Und - schwups! - sind wir beim Frankfurter Großkomiker mit seinem Jargon der Eigentlichkeit. Hier noch ein schöner Textgenerator, mit dem man herrlichen Adorno-Mumpitz erstellen kann.

Eigentlich gar nicht so schwer. Oder uneigentlich?

Montag, 23. Juni 2008

Berlin, Berlin,
wir fuhren nach Berlin!

Vier Sommertage an der Spree! Die Reise beginnt politisch, denn im Flugzeug sitzt Cem Özdemir neben uns, bald ja vielleicht Bundesvorsitzender der Grünen. Doch wir verzichten auf Koalitions- und sonstige Gespräche und kommen pünktlich in Berlin an. Leider am falschen Flughafen, denn Gitty & Jörg warten in Schönefeld auf uns - wir aber sind in Tegel ... Nach einer längeren S-Bahn-Fahrt landen wir aber doch noch im idyllischen Grünau und genießen dort die gute Landluft. Berlin macht seinem Ruf als größtes Dort der Welt hier wirklich alle Ehre. Spät in der Nacht fahren wir in unser Hotel, keine 100 Meter vom Herz der deutschen Sozialdemokratie entfernt. Nein, nicht Rhöndorf - die Rede ist natürlich vom Willy-Brandt-Haus.

Am nächsten Tag geht es nach Potsdam. Als allererstes fällt uns das geschmackvolle Geschäft von Paul Rusicke auf. Er hat sich als Billigbestatter positioniert, die Erdbestattung gibt es bereits ab 965 Euro. Wie solche Preise möglich sind? Durch effizientes Arbeitsgerät, siehe Bild. Wäre ja auch noch schöner, wenn sie einem beim Sterben ausgerechnet das letzte Hemd nehmen würden! Wenig später werden wir in der Fußgängerzone von einem Fernsehteam angesprochen. Was die deutsche Mannschaft nach dem Sieg gegen Portugal denn noch zu erwarten hätte? Meine Antwort ist sachlich tadellos, aber leider nicht ganz im Interesse des Interviewers: "Vermutlich ein weiteres Spiel". Ein Satz über preußische Tugenden hätte den MDR-Leuten wohl besser gefallen. Apropos: Sanssouci erscheint uns reichlich unpreußisch und leider auch ein wenig ungepflegt. Sans financement, souci!

Abends treffen wir Michael in der herrlichen Osteria Tomasa im Kreuzberger Viktoriagarten. Angesichts des Fußballspiels Türkei gegen Kroatien ist er in großer Sorge - bei einem Sieg der Türken würde seine Heimfahrt nach Friedrichshain nach konservativen Schätzungen 2 Stunden länger dauern. Und tatsächlich: Kaum hat die Türkei das Spiel siegreich beendet, bricht der Straßenverkehr rund um Kreuzberg zusammen. Autofahren mit Fahne, an diesem Abend gehört das einfach dazu.

Samstag dann der Höhepunkt unserer Reise: Wir schauen uns Varekai an, das neue Programm des Cirques du Soleil. Im Grunde präsentieren die Kanadier ja klassische Artistiknummern, die sie in eine leichte Rahmenhandlung einbinden - in diesem Fall eine Ikarus-Variation. Die Russischen Schaukeln sind wirklich atemberaubend, auch die tapsigen Clown-Nummern gefallen uns gut. Weniger erfreulich sind die zum Teil brachiale Lautstärke und die Kostüme, die mir eine Spur zu bunt sind.

Am vorletzten Tag dann ein Gegenprogramm: Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Man kann die DDR ja schnell für eine irgendwie weiche Diktatur halten, aber was sich die Stasi in Hohenschönhausen erlaubt hat, ist schon bedrückend. Immerhin muß man für den Aufenthalt heute einen weitaus niedrigeren Preis (4 Euro) zahlen als früher. Direkt auf dem alten Sperrgelände steht nun übrigens ein Lidl-Markt - ein herrliches Symbol für den Sieg des Kapitalismus!

Nach einer Spree-Rundfahrt leiten wir das Ende unserer Besuchs ein. Abends treffe ich mich noch mit den anderen beiden Mitgliedern des Weltverbesserungsclubs im Würgeengel. Wie üblich diskutieren wir über YouTube-Videos, verlustreiche Civilization-Feldzüge und schlechte Software. Bernhard berichtet von neuerlichen Zusammenkünften mit Klaus Staeck, und Kampfroboter-Experte Martin distanziert sich auffällig nachdrücklich von Behauptungen, er arbeite in der Rüstungsindustrie.

Der Rückflug findet ohne Cem statt - dafür aber mit einer Baden-Badener Dame, die reichlich renoviert aussieht. Ein würdiger Abschluß für ein ereignisreiches Wochenende.

Mittwoch, 18. Juni 2008

Feierfox?

Seit gestern gibt es die neueste Version des Browsers Firefox. Angeblich ist sie deutlich schneller als die früheren Versionen, wovon bis jetzt aber nicht viel zu spüren ist. Immerhin besteht die Hoffnung, daß Firefox 3 pfleglicher und sparsamer mit dem Systemspeicher umgeht - früher war der Browser ja ein echter Nimmersatt, wenn es um Megabytes ging.

Inzwischen scheinen bei der Mozilla Foundation sehr viel mehr Experten für Benutzerfreundlichkeit als früher zu arbeiten. Man merkt das an den zahlreichen Verschlechterungen, die Firefox 3 mit sich bringt. So hielt man es zum Beispiel für nötig, einige Icons in der Iconleiste auszutauschen; der User muß sich also erst mal wieder umgewöhnen. Großer Mumpitz ist auch, daß manche Icons größer als andere sind. So wirkt die Icon-Leiste sehr inhomogen und unübersichtlicher als vorher.

Angenommen, man ließe Wohnungen von Softwareexperten gestalten - wie würden die wohl aussehen? Wahrscheinlich hätten häufig benutzte Zimmer extragroße Türgriffe. Und die Zimmer würden ihre Anordnung alle paar Monate zum Wohle der Bewohner ändern.

Montag, 16. Juni 2008

Zeitgenossen genießen

Eine große Tageszeitung aus Frankfurt schickt ihren besten Mann zur Kontrolle nach Karlsruhe. Leider nur für einen Tag, darum ist Expressprogramm angesagt. Im Litfaß machen wir die erste erstaunliche Entdeckung: Christophs Cordon bleu ist akzeptabel, aber mein Gyros besteht praktisch ausschließlich aus Pommes. Vielleicht sollte man für griechische Köstlichkeiten tatsächlich eher zum Griechen gehen ...

Gut gesättigt gönnen wir uns wenig später eine weitere Spezialität, diesmal aber eine ungarische. Der Nakamura-Schüler László Hudacsek hat zu einem Konzert im ZKM geladen, was man schon dem Konzerttitel anmerkt: Looping on the Ghost Train of Time, soso. Das Programm entpuppt sich als Schlagzeugkonzert mit Videoeinspielung, in der der Künstler sich doppelt und dreifach selbst begleitet. Das ist dann wohl die "musikalisch-ästhetische Vorstellung einer horizontalen und vertikalen Zeitspirale", von der in der Ankündigung die Rede war. Die Stücke sind durchaus interessant, aber als Hudacsek plötzlich zu Weltraumvideos mit Rasseln durch den Raum spaziert, kommt kurzzeitig Hurz-Stimmung auf. Später führt er dann ein Werk für vier Küchenbretter auf - wir rätseln noch heute, welche Tonart darin wohl dominant war. Geli schlägt daraufhin eine neue Musikkategorie vor, kitchen music. Zugelassen sind nur Geräusche, die bei der Küchenarbeit entstehen. Am Kohlrabi - Thomas Müller! An den Kartoffeln - Klaus Meier! Am Tenorkürbis - Katharina Schmidt! Der Abend klingt absolut zeitgenössisch im Ohne Gleichen aus.

Am nächsten Morgen treffen wir uns zum Frühstück mit Anke und Monika in der Alten Bank. Das Frühstück ist vortrefflich, doch Christoph schielt die ganze Zeit zu einem Nachbartisch. Ist das denn die Möglichkeit? Die beste Doktormutter von allen frühstückt mitten im Semester in Karlsruhe? Ich beginne zu schwitzen und überlege mir schon die abenteuerlichsten Ausreden, als der Mann aus Frankfurt Entwarnung gibt: nur eine verblüffend originalgetreue Doppelgängerin!

Der Kurzbesuch klingt mit einem Abstecher in die stattliche Staatliche Kunsthalle aus. In einer tour de force jagen wir Großstädter Christoph stolz durch die beeindruckende Sammlung und schauen sogar noch in die Orangerie. Dort gibt es gerade eine Installation von Katharina Hinsberg zu bewundern. Einmal pro Minute schwebt ein roter Papierstreifen herab und vollführt dabei die akrobatischsten Bewegungen. In der Sprache der Kunst: "Durch das Hängen von Papier- oder Stoffstreifen im Raum überführt sie das Medium in einen installativen Zusammenhang".

Installativ! Das Wort wird man sich merken müssen.

Sonntag, 15. Juni 2008

Hintzeschlag

Peter Hintze ist allen Ernstes im Gespräch für die bequeme Position eines EU-Kommissars. Man glaubt es nicht - und die F.A.Z. in einem wunderbaren Kommentar ebenfalls nicht.

Mittwoch, 11. Juni 2008

Unser Wording ist deutsch

Liebe zum Vaterland hin oder her - aber muß man sich denn unbedingt myheimat.de nennen, wenn man ein Netz für regionale Bürgerreporter betreibt? Immerhin ist den Verantwortlichen der Sprachmischmasch bewußt. Hier bringen sie sogar einen Verweis auf einen musikalischen Diskurs zwischen Roy Black und Heinz Schenk zum selben Thema.

Montag, 9. Juni 2008

Sonneboy

Martin "Ich tat es für mein Land" Sonneborn hat einen Film über den alten Mauerstreifen rings um Berlin gedreht. Welche Skurrilitäten er dabei erlebt hat, kann man in der F.A.Z. nachlesen.

Sonntag, 8. Juni 2008

Hochzeit in Häusern

Nic & Mic heiraten - ganz idyllisch mitten im Schwarzwald. Schon die Fahrt wird ein Erlebnis, denn kurz hinter dem Höllental wird es neblig. Vorteil: Uns entgeht der prachtvolle Ausblick auf Leibstadt.

Vor dem Polterabend steht noch die kirchliche Trauung in der Versöhnungskirche in Waldshut. Ich bin während der Veranstaltung schon fast stolz darauf, daß ich alles passabel hinter mich bringe, als ich plötzlich stutzen muß. Der bärtige Mann dort hinten ... Der sieht ja aus wie ... Das wird doch wohl nicht ... Aber nein, es ist nicht der Heiland höchstpersönlich, sondern nur der Hochzeitsfotograf. Doch die Ähnlichkeit ist erstaunlich. In Kirchen muß man ja selbst als hartgesottenster Atheist immer auf Wunder gefaßt sein.

Bei der entscheidenden Frage der Pastorin entpuppen sich Nicole & Michael als Ja-Sager. Und dann geht's auch schon ins Chämi-Hüsle. Dieses wunderbar gemütliche Restaurant der Familie Zumkeller hat ja seit über 40 Jahren einen Michelin-Stern, keine schlechte Leistung. In der Mitte des rustikalen Gastraumes flackert ein offenes Kaminfeuer, und die ganze Hochzeitsgesellschaft freut sich auf die kommenden Stunden.

Wir sitzen am Saalende und unterhalten uns prächtig mit Vivien und Philipp, als die Festleitung nach dem Menü plötzlich eine unlösbare Unterhaltungsaufgabe stellt: Wir sollen unseren Sitznachbarn zeichnen! Glücklicherweise vergibt mir Anke meinen Bildvorschlag, und wir können in den letzten Teil des Abends einsteigen - den Tanz. Nach einigen Walzer-Runden ermüden wir jedoch am frühen Morgen und begeben uns in unsere Pension, die auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Immerhin gibt es zum Frühstück für jeden Gast genau zwei Brötchen.

Auf dem Rückweg machen wir noch einen kurzen Abstecher zum Feldberg. An einigen wenigen Stellen liegt sogar noch Schnee.

Donnerstag, 5. Juni 2008

Hübsch

Das kenntnisreiche Programmheft des Jazzclubs Karlsruhe über das Carl-Ludwig-Hübsch-Quartett:

Tuba? Da müssen einige immer noch an alte Blasmusikklischees denken. Doch Carl Ludwig Hübsch hat dem Instrument längst neue Wirkungszusammenhänge erschlossen. Durch die Verwendung moderner und zum Teil selbst entwickelter Spieltechniken breitet sich ein Klangfeld aus, das man so wahrscheinlich noch nie gehört hat. Die Tuba wird aus einer neuen Perspektive dargestellt, und plötzlich ist man bei dem Thema, das Hübsch besonders interessiert: Musik als Struktur in der Zeit. Ein außergewöhnliches Konzert, bei dem ein außergewöhnliches Instrument im Mittelpunkt steht.


Und die Realität? Ich habe das Gefühl, daß ich solche "Musik" schon dutzendfach gehört habe. Die Musiker produzieren auf der Bühne Geräusche, die für ihr Instrument ungewöhnlich sind. Na und? Wo ist die Neuheit? Muß man unbedingt musikalische Mauern niederreißen, die es schon seit Ewigkeiten nicht mehr gibt? Doch andere Besucher sind von der analytischen Übung auf der Bühne begeistert. Vielleicht bin ich einfach vom schwülen Wetter geschafft ...

Immerhin entdeckte ich einen neuen Wein in der Kaldaune: einen spanischen(!) Riesling mit ausgeprägten vegetativen Noten.

Mittwoch, 4. Juni 2008

Milchkundenrechnung

Das war ja klar. 88 Prozent aller Deutschen wären laut Stern-Umfrage bereit, mehr für ihre Milch auszugeben - wenn denn der Aufpreis doch bloß direkt an die Milchbauern ginge, seufz! Vielleicht haben es unsere Gutmenschen ja noch nicht mitbekommen, aber seit ewigen Zeiten gibt es Bioläden. Dort muß man ein wenig mehr für die Milch zahlen, unterstützt damit aber nachhaltige Landwirtschaft.

De facto interessieren sich deutsche Supermarktkunden jedoch nicht die Bohne dafür, wie ihre Milch erzeugt wird: Der Marktanteil für Biomilch liegt sicher weit unter 5 Prozent. Hauptsache billig! Aber die Teilnahme an Umfragen kostet ja nichts, darum kann man mit Quatschantworten prima etwas fürs gute Gewissen tun.

Und was unternimmt der Oberbauer? Seehofer ist selbstverständlich gegen Billigmilch und gibt - natürlich - den elenden gewinnorientierten Supermarktketten die Schuld an der angeblichen Misere. Aber warum können sich die europäischen Bauern nur schlecht gegen die anderen Marktteilnehmer wehren? Weil die Milchwirtschaft dank Milchquote durch Kleinbetriebe charaktisiert ist.

Wieder mal ein schönes Beispiel dafür, wie idiotische staatliche Rahmenbedingungen letztlich zu idiotischer Kapitalismuskritik führen.

Schlägerei in Schloß Gottesaue

Schlagzeugabend der Klasse Prof. Nakamura in der Musikhochschule. Es beginnt mit einem Stück von Siegfried Fink, das durch schwierige Crescendos und Diminuendos geprägt ist. Doch Björn Etzel bewältigt die Berg- und Talfahrten spielend (und schwitzend). Dann ist Ferdinand Martin an der Reihe, der sein Programm gewohnt souverän abspult. Stücke für Soloschlagzeug sind ja nun nicht unbedingt jedem Fall gefällige Unterhaltungsmusik. Erstaunlich, daß man sowas überhaupt einstudieren kann!

Im Grunde ist Schlagzeugmusik ja eine Mischung aus Minigolf und Boxen. Minigolf, weil man Präzisionsaufgaben lösen muß. Und Boxen wegen der eindrucksvollen Armmuskulator der Sportler, äh, Musiker.

Dienstag, 3. Juni 2008

Philversprechend

Na sowas, die Greise von Genesis leben noch? Und Phil Collins ist auch wieder an Bord? Damit wäre der Zustand von 1977 ja wieder hergestellt. Selbst der alte Metternich hätte wohl keine bessere Restauration hinbekommen!

In einem lesenswerten Interview mit der F.A.Z. plaudern die drei Altrocker jedenfalls über ihre musikgeschichtliche Bedeutung und den Zusammenhang zwischen Klassik und Rock. Für Phil Collins kommt Beethoven gleich hinter den Beatles, welche Ehre.

Bei Genesis geht es mir ja wie bei Pink Floyd: Die jeweils typischsten Werke sind völlig untypisch für die beiden Bands. Wish You Were Here klingt auch für den unerfahrenen Zuhörer sofort nach Pink Floyd, auch wenn es kaum Gemeinsamkeiten mit anderen Alben gibt. Und auch die typischsten Genesis-Songs unterscheiden sich erheblich vom Genesis-Durchschnitt: Firth of Forth, Many Too Many und vor allem das fabelhaft untypisch-typische Land of Confusion.

Sachlich vollkommen unbegründete Quatschüberlegungen? Vermutlich ...

Einer meiner Lieblingssongs von Genesis war übrigens immer die Billigelektro-Hymne The Brazilian.

Grüne Witze

Wer hätte das gedacht: Altruisten beim Economist! Oder wie sonst wäre es zu erklären, daß mir die Damen und Herren aus der St James's Street alle drei Monate kostenlos ihr Hochglanzmagazin Intelligent Life zuschicken? Meistens wandert es praktisch ungelesen in den Zeitungsständer und dann nach ein paar Wochen weiter in die Wertstofftonne.

Zugegeben, es ist nicht einfach, ein Lifestyle-Magazin für ein internationales Publikum zu machen - denn nationale Geschmäcker und kulturelle Prägungen gibt es nach wie vor, Globalisierung hin oder her. Außerdem merkt man dem Blatt einfach zu sehr an, daß sein raison d'être im Anzeigenverkauf liegt.

Im neuen Heft gibt's aber einen herrlichen Artikel von Rubert Butler, Thema: Umweltschutzhumor! Beispiel gefällig?

Question: How many climate sceptics does it take to change a lightbulb?
Answer: None. It's too early to say if the lightbulb needs changing.

Montag, 2. Juni 2008

L'oiseau, c'est moi!

Der Trend geht zum Zweitvogel, auch bei Anke. Seit kurzem hat ihr Wellensittich Hugo (links) nun einen Käfiggenossen (rechts). Da er von Anfang an durch distinguiertes Verhalten auffiel, wurde er kurzerhand auf den schönen Namen "Louis XIV" getauft (Rufname: Louis). Und nun kommt heraus: Sein Betragen ist erblich bedingt, Louis' Mutter war mal Miss Germany! Aufgrund der eigenen Existenz ausgezeichnet werden, das hat ja etwas Existentialistisches ...