Mittwoch, 30. Januar 2008

Zivilisation

Mitten im Telefonat geht plötzlich das Licht aus, eine Sekunde später dann der Monitor und die Festplatte. Ein Blick aus dem Fenster: Die ganze Stadt ist düster. NEMP? Glücklicherweise nicht, sondern nur ein ganz normaler Stromausfall. Darauf wird man sich wohl auf Dauer einstellen müssen, wenn man in einem Newly Declining Country leben möchte. Doch die Zwangspause gibt uns endlich einmal die Möglichkeit, innezuhalten und den Blick auf Begriffe zu richten, die sich sonst vornehm zurückhalten. Zivilisation, was ist das eigentlich? Wikipedia versteht darunter ein "... 'Kulturdach' für mehrere ähnlich gelagerte Kulturen, die geographisch nicht aneinander gebunden sein müssen".

Nicht direkt falsch, aber im Grunde kann man es doch auch viel einfacher haben: Zivilisation ist Strom und fließend Wasser. Alles andere ergibt sich dann schon von selbst.

Dienstag, 29. Januar 2008

In Hessen nichts Neues?

Der deutschen Politik wird oft vorgeworfen, sie sei sklerotisch - zu recht, wie ich meine. Um so erstaunlicher ist aber, daß der Wähler Kandidaten mit wirklich frischen Ideen selten eine Chance gibt. Siehe etwa Kadim Sanli. Er bewarb sich für den Hessischen Landtag mit einem glasklaren 40-Punkte-Programm. Beispiel Familienpolitik: "Frau muß Putzen machen". Arbeitsmarktpolitik: "Wir organisieren ein Schönheitsfestival. Für die Leute muß ein Chance geben wegen Job". "Oder Gesundheitspolitik: "Menschen muß essen die Menschenfleisch".

Der letzte Punkt mag einigen vielleicht etwas unorthodox erscheinen. Doch wirklich eklig wird die hessische Politik erst mit Christean Wagner, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden. Film ab!

Montag, 28. Januar 2008

Ausgekocht

Die Landtagswahl in Hessen endete enttäuschend. Der Wahlkampf hatte alles, was ein Schlagzeilenschreiber braucht, und dann bringt sogar die taz nur einen ziemlich müden Aufmacher: Roland Koch droht die Abschiebung. Großes Gähnen auch bei der Süddeutschen und natürlich der F.A.Z. - von der FR ganz zu schweigen.

Ich freue mich schon auf den Tag, an dem Peter Struck Bundeskanzler und Christian Wulff sein Vize wird. Vorschlag für den Aufmacher: "Peter und der Wulff". Doch leider, leider gibt es die Schlagzeile schon, und dann auch noch in der Volkswagen-Mitarbeiterzeitschrift ...

Sonntag, 27. Januar 2008

Die Busters im Substage

Zweifache Premiere: Nach fast acht Jahren Karlsruhe bin ich zum ersten Mal im Untergrundclub Substage, und dann auch noch zu meinem allerersten Ska-Konzert! Grundsätzlich mag ich ja die Buchstabenfolge S-K-A, auch wenn sie mir musikalisch bis jetzt wenig bzw. nichts sagte. Auch nach dem Konzert der Busters wird Ska wohl nicht unbedingt zu meiner Lieblingsmusikrichtung. Zumindest ist mir nun aber eine bemerkenswerte Parallele zu Schopenhauers Weltdeutung aufgefallen: Hier wie dort geht es um den Einfluß der Musik auf Bewegung. Während sich diese beim großen Grantler aber auf die Seele bezieht, geht es bei Ska nach meinem ersten Eindruck eher um den Körper. Gäbe es einen Ska-Philosophen, sein Hauptwerk müßte wohl lauten: Die Welt als Wille zum Herumhopsen.

Samstag, 26. Januar 2008

Einkaufstests

Wenn man der Volksstimmung glauben darf, geht derzeit alles den Bach runter. Soziale Bindungen lösen sich auf, Rentner werden grundlos zu Tode geprügelt, verantwortungslose Zeitgenossen parken absichtlich falsch ... und so weiter und so fort. Vielleicht ist es naiv, wenn man mit Kleinempirie gegen die miese Stimmung angehen möchte. Doch seit einiger Zeit führe ich im öffentlichen Raum Experimente zum sozialen Vertrauen durch. Während ich mich in einem Laden aufhalte, lasse ich gelegentlich verschiedene Einkäufe im Fahrradkorb zurück. Noch nie ist dabei etwas abhanden gekommen.

Möglicherweise ist das ein Indiz für den nach wie vor starken Bürgersinn in unserer Gesellschaft. Vielleicht sagt es aber auch einfach nur etwas über die Dinge aus, die im Fahrradkorb liegen - und ihre Produktbeschriftungen: "Goldgelber Leinsamen - gesund ernähren - aktiv verdauen" ...

Freitag, 25. Januar 2008

Warum in die Staatsferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

Eigentlich soll sich öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland durch Staatsferne auszeichnen. Doch mit nur vier zusätzlichen Buchstaben wird daraus etwas, das auf unsere Politiker einen unwiderstehlichen Reiz ausübt: Staatsfernsehen. So geschehen in Bremen, wo die Bürgerschaft mit den Stimmen von Rot-Grün gerade ein neues Radio-Bremen-Gesetz verabschiedet hat. Der Rundfunkrat wurde zwar verkleinert, aber dadurch haben die Vertreter von Staat und Parteien nun endlich die Stimmenmehrheit, die sie sich wahrscheinlich schon seit Jahrzehnten wünschen. Honi soit ...

Gimme Mohr

Seit Anfang 2001 gibt es ver.di, die Vereinigte Dienstleistungs- gewerkschaft. Die Namensgebung ist nicht ungeschickt: Immer, wenn es um ver.di geht, soll man gleichzeitig Hochkultur im Sinn haben. Doch bei mir geht der Schuß stets nach hinten los: Bei Verdi muß ich immer an Frank Bsirske denken, ausgerechnet! Ich habe ja gar nichts gegen Konnotationen; diese allerdings werde ich der deutschen Arbeiterbewegung niemals verzeihen können.

Aber wir alle müssen Opfer bringen, und so schaue ich mir zusammen mit gleich vier Musiktheaterfreundinnen Verdis Otello im Badischen Staatstheater an. Der Mohr von Venedig gehört ja sicher zu den absurdesten Figuren der europäischen Operntradition, und die Geschichte ist natürlich von Anfang an durch und durch unglaubwürdig. Doch gerade bei Opern sollte man immer rein formal argumentieren. Und genau das tue ich auch, als wir in der Pause (gar nicht so) überraschend auf Guido treffen: Das Bühnenbild hätte mir wie immer ausgezeichnet gefallen, die Treppe sei ja eine tolle Idee! Doch der arbiter elegantiarum winkt müde ab: Heute würde doch jede Provinzbühne mit solchen Stufen arbeiten.

Die An- bzw. Abregung hinterläßt Spuren. Nach der Pause erscheint mir die Bühnengestaltung deutlich weniger brillant: links eine weiße und rechts eine schwarze Säule, Otello also hin- und hergerissen zwischen Gut (Desdemona) und Böse (Jago)? Nun ja, wenn es denn der Metaphernfindung dient ... Doch immerhin erleben wir in der zweiten Hälfte noch ein beeindruckendes stummes Crescendo, denn die Langeweile nimmt von Takt zu Takt erstaunlich linear zu.

Das Karlsruher Publikum ist allerdings wie üblich höchst angetan und spendet begeistert Applaus. Als ich mein Klatschen etwas zurücknehme, werde ich von Anke belehrt: Applaus sei des Künstlers Lohn! Doch man kann es ja auch anders sehen: Lohn ist des Arbeiters Applaus. Und so endet der Abend, wie er begann - bei ver.di.

Mittwoch, 23. Januar 2008

Falco Alexander

Falco singt Peter Alexander - und dann auch noch das wunderbare Hier ist ein Mensch! Wenn das kein schöner Zufallsfund ist. Wer nicht suchet, der findet ...

Samstag, 19. Januar 2008

Alt-Heidelberg, du feine

Auch als glühendster Lokalpatriot muß man eine bittere Wahrheit einsehen: Karlsruhes Einkaufslandschaft entspricht seiner Architektur - sie ist ohne jede Originalität. Wenn man nett Geld ausgeben und dabei in der Region bleiben möchte, muß man das folglich in Freiburg tun. Oder in Heidelberg, wenn dort nicht gerade Touristenschwemme herrscht. Zum Beispiel jetzt.

Nach einer entspannten Bahnfahrt beginnen wir konzentriert mit unseren Shopping-Aktivitäten und klappern alle Läden ab, in denen ab März nur noch Japanisch oder Amerikanisch gesprochen wird. Natürlich schauen wir auch kurz beim Schloß vorbei - und sind entsetzt. Der Park wirkt inzwischen, als stünde er in Schleswig-Holstein oder einem anderem Nehmerbundesland: Risse und Schimmelflecken in den Mauern, gesperrte (weil baufällige) Treppen, unterspülte und daher abgesackte Wege ... Quo vadis, Musterländle?

Auf dem Rückweg zum Bahnhof entdecken wir noch ein Plakat des Theaters Heidelberg: Noch bis April wird Oscar Wildes Meisterstück gespielt, allerdings in der Jelinek-Fassung. Nun fehlt Jelinek ja erkennbar jedes Gespür für Literatur - ob man sich das antun sollte? Auf jeden Fall! empfiehlt uns eine freundliche Heidelbergerin, die unsere Diskussion verfolgt hat. Das Stück sei sehr amüsant, trotz Jelinek!

Dann geht es wieder nach Hause. Die drei Jugendlichen neben uns in der Bahn haben einen Migrationshintergrund und zudem ein tolles Spielzeug: einen MP3-Player mit integrierten Lautsprechern. Ihre Lieblingsmusik definiert sich offenbar weniger durch Polymetrik und polytonale Klangfarbe als durch erstaunlichen hohen Schalldruck. Das wirft einige Fragen auf, zum Beispiel: Kann man die Jugend auf die Lärmbelästigung ansprechen? Oder riskiert man dadurch ein zweites München? Wir wagen zitternd Zivilcourage und stoßen ganz unerwartet auf Verständnis. So schlimm kann es ums Musterländle also doch noch nicht bestellt sein.

Freitag, 18. Januar 2008

James Rüttgers jagt Dr. Nokia

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Verwunderung und Furcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt 1): Staatsverschuldung und Subventionen. Beide Dinge sind offensichtlich unsozial, und beide sind für Politiker bequeme Vehikel, um sich in der Öffentlichkeit als Wohltäter darstellen zu können. Denn beides kann man ganz easy als Notwendigkeit verkaufen, ohne die erfolgreiche / soziale / was-auch-immer Politik nicht funktioniert.

Nun beklagen sich unsere Politiker darüber, daß ein Unternehmer wie Nokia gern Subventionen mitnimmt und sich gemeinerweise trotzdem nicht auf Standorttreue verpflichten läßt, menno! Wirtschaftsgenie Rüttgers greift sogar den alten Münte-Quark auf und nennt Nokia eine "Subventionsheuschrecke". Dabei hat Nokia sich nur an geltendes Recht gehalten. Und wer hat dieses Recht wohl gemacht, hm?

Ach, unsere Symbolpolitiker. Daß jahrzehntelang zuwenig Arbeitsplätze in zukunftsrelevanten Branchen entstehen, interessiert niemanden. Denn wenn einen das interessierte, müßte man ernsthaft über Forschung, Bildung und weniger Bürokratie nachdenken - zu knifflig! Wenn aber alle paar Jubeljahre mal eine symbolträchtige Fabrik geschlossen wird, fährt plötzlich unsere Oma im Hühnerstall der Politik Motorrad, Motorrad ...



1) Endlich mal Kant zitieren können, und dann auch noch falsch - juhu!

Donnerstag, 17. Januar 2008

Only false news are good news

"Sind Sie sprunghaft?" - "Ja! Äh, nein!" ... An diesen alten Witz muß ich bei der Lektüre des Boulevardmagazins Spiegel online immer wieder denken. Als vor zwei Tagen das MacBook Air vorgestellt wurde, schrieb man noch kritiklos Apples Jubel-PR ab und freute sich über das angeblich dünnste Notebook der Welt. Wenig später gibt man sich plötzlich gnadenlos investigativ: So ganz stimmten Apples Angaben gar nicht, es gäbe doch seit Jahren ähnliche Geräte!

Erst veröffentlichen, dann recherchieren, dann noch mal veröffentlichen - aber bitte den eigenen Patzer niemals zugeben: Das ist wohl deutscher Qualitätsjournalismus.

Mittwoch, 16. Januar 2008

Hasta la Vista

Mein Notebook zeigt akute Symptome von Altersschwäche - also muß schnell ein neues her! Als alter Hase weiß man ja, auf was man sich beim PC-Einkauf einläßt. Also gehe ich auf Nummer sicher und entscheide mich für einen schicken Sony Vaio. Das Gerät selbst ist ausgezeichnet und vor allem sehr praktisch. Der Teufel steckt allerdings im Detail bzw. auf der Festplatte: Der Vaio läuft unter Windows Vista. Das bißchen Umstieg kann so schwer nicht sein, sagt mein Sony-Verkäufer. Oder?

Vista entpuppt sich leider schnell als das sozialdemokratischste Windows aller Zeiten. Alle Dinge, die man früher problemlos in freiwilliger Selbstbestimmung regeln konnte, werden einem jetzt vom System aufgezwungen - zum Wohle des Bür ... äh, Nutzers, versteht sich. Der Hintergrund: Nachdem Apple vor längerem ja sein wegweisendes OS X vorgestellt hatte, sah sich Microsoft in Zugzwang. Man versuchte also, das Apple-Gefühl in die Windows-Welt zu übertragen. Minderwertigkeitskomplexe sind in der IT-Welt aber kein guter Ratgeber. Und so ging das Ergebnis gründlich in die Hose. Drei Dinge, die sofort unangenehm auffallen:

1. Das Betriebssystem ist extrem langsam. Wie können bei schnellem Prozessor, noch schnellerer Grafikkarte und viiiiieeeeel Speicher selbst einfachste Prozesse soviel Zeit benötigen? Unfaßbar. Vielleicht muß man einfach mal mit dem Papst darüber sprechen - wer weiß, ob hier nicht sogar ein Wunder vorliegt!

2. Bis vor vielleicht 10 Jahren habe ich mich mit Haut und Haaren gegen den Windows Explorer gesträubt, noch vorgestern fand ich ihn allerdings durchweg praktisch und übersichtlich. Unter Vista hat Microsoft den Explorer allerdings so sehr verbessert, daß er kaum noch zu bedienen ist. Hier wird die Angst vor Apple ganz besonders deutlich. Besonders peinlich: die Icons. Warum mußten die ausgerechnet vom Buchhaltungspraktikanten gepinselt werden? Ein Grafiker wäre vielleicht die bessere Wahl gewesen.

3. Wie jeder gute deutsche Politiker hat auch Windows kein Vertrauen in die Menschen. Selbst trivialste Befehle muß man zweimal bestätigen. Möchten Sie die Datei "Einkaufslist.doc" wirklich in "Einkaufsliste.doc" umbenennen? Ja. Wirklich? Ja. Für die Sicherheitsbestätigung schaltet Vista übrigens in einen speziellen Kampfmodus, was überraschend absurd wirkt.

Windows Vista, eine Metapher auf die verkorkste deutsche Politik? Nicht ganz: Sony hat seinen Fehler eingesehen und bietet allen Kunden einen formalen Abstieg auf Windows XP an. Das geht in unserem Staat leider nicht.

Samstag, 12. Januar 2008

Die Sensation im Januar

Meine Damen und Herren, sind Sie bereit für das Unfaßbare? Dann halten Sie sich jetzt bitte gut fest - Manege frei für den Elektronikmarkt Octomedia in Rastatt!

Die Sensation im Januar:
MyFaves-Aktion
1 Monat Grundpreis frei (Sie sparen 15 Euro)

Noch vor wenigen Jahrzehnten mußte man Sensationen mit sperrigen Abkürzungen wie ART oder QED belegen, heute kann man sogar ihren Wert angeben - und das auf den Euro genau. Welche Fortschritte uns wohl noch in der Zukunft erwarten?

Freitag, 11. Januar 2008

Alice wird gut

Bislang nannte mir der sehr leistungsfähige Anbieter Alice beharrlich einen DSL-Starttermin, der mir bis auf den heutigen Tag immer eine Spur zu optimistisch erschien, nämlich den 27.11.2007. Nun trudelt eine SMS mit einer Datumskorrektur ein: Man heiße mich herzlich willkommen bei Alice, ab dem 17.01.2008 ginge es wirklich los!

Wenn das wahr wird, hätten sich meine Befürchtungen nicht bestätigt: nur knapp zwei Monate Verspätung, das ist für DSL-Verhältnisse offenbar verteufelt schnell. Bei 1&1 hat es damals immerhin fast ein Dreivierteljahr gedauert.

Donnerstag, 10. Januar 2008

Stylevorlage für GEZ-Gegner

Unsere Landesregierungen haben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in weiser Voraussicht einen Wischi-Waschi-Auftrag gegeben: Sein Programm solle u.a. die Meinungsbildung und die internationale Verständigung fördern, außerdem solle ein Schwerpunkt auf Kultur gelegt werden. Was daraus dann in der Praxis wird, wissen wir alle: Fußballberichterstattung, Volksmusik, Thomas Gottschalk.

Nun hat sich die ARD auch noch eine Styling-Show spendiert. Deutschland, das Land der Schneider und Schminker.

Mittwoch, 9. Januar 2008

Schlag-Sahne

Der Karlsruher Schlagzeugprofessor Isao Nakamura ist gewiß nicht als Unterhaltungsmusiker bekannt (hier eine Hörprobe). Doch die Konzerte seiner Schützlinge sind immer wieder tolle Expeditionen in unbekannte Geräuschwelten. Und so pilgern wir wieder zum Klassenabend, um uns ungewohnten Klangeindrücken auszusetzen. Es stehen sechs verschiedene Stücke auf dem Programm. Am besten gefallen mir die brachialen Rebonds B pour Percussion Solo von Iannis Xenakis (immer wieder beeindruckend: das kräftige Spiel der zarten Nuria Andorra) und das filigrane Doppelstück Omar von Franco Donatoni, gespielt von der unwahrscheinlich präzisen Rie Watanabe.

Selbige sorgt am Ende mit einer Zusatznummer noch für eine Hurz-Situation: Sie trommelt und gibt dazu verschiedene perkussive Laute von sich. Die erfahrenen Kunstfreunde im Publikum zwingen sich zu größter Ernsthaftigkeit, doch die Schüler einer anwesenden Schulklasse können sich kaum zurückhalten und kichern munter vor sich hin. Am Ende kommt heraus, daß es das Stück Le Corps à corps von Georges Aperghis war! Und der hat immerhin Heiner Müllers Hamletmaschine vertont. War also gar kein musikalischer Scherz, sondern Kunst auf höchstem Niveau! Wer hätte das gedacht.

Dienstag, 8. Januar 2008

Spiegelbild

Spiegel online, das Magazin für die wissenschaftliche Avantgarde, bringt eine neue Enthüllungsstory: Uri Geller kann gar nicht zaubern! Seine angeblich übersinnlichen Fähigkeiten basierten auf nichts als einfachen Magiertricks. Na sowas!

Das Dood gut

Unerwarteter Besuch aus Waldshut. Es ist der Dood, der sich zu Gesprächen in Karlsruhe aufhält1) und spontan vorbeischaut. Wir klagen über die Beschwernisse des modernen Arbeitslebens im allgemeinen und seine erfreulichen Aspekte im speziellen. Nach einer Pflichtpartie Rasende Roboter (mit zwei Zielplättchen auf einmal, Stich!) präsentiert der Dood einige Webfundstücke, nämlich Flash-Kurzfilme von David Firth. Den Klassiker Salad Fingers über den gleichnamigen Rostfreund muß man natürlich gesehen haben. Panathinaikos Bear Episode 11: If ist allerdings schon etwas spezieller. Und Health Reminder? Hochabstraktion hin und her, Webkultur schön und gut - aber muß sowas denn immer gleich so uneuropäisch sein?

Apropos: Wie wäre es mit einer Radiosendung Guten Morgen, Abendland? Doch Obacht, die Konkurrenz von Guten Abend, Morgenland schläft nicht!


1) Meine neue Umschreibung für "der mal wieder in Karlsruhe ist".

Sonntag, 6. Januar 2008

Ich bekomme ein Diplom

Adorno hat (außer seinem Namen) vielleicht nicht viel Bewahrenswertes in die Welt gebracht, aber sein wohl berühmtester Satz scheint mir trotz allem vernünftig: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Natürlich wird es in unseren trivialen Zeiten immer schwieriger, zwischen Fiktion und Unwirklichem zu unterscheiden. Um so wichtiger wird es, den Übergang von der Realität zur Wirklichkeit stets neu auszuloten.

Beispiel Urkundenfälschung: Unerfahrene Realitätsgegner lassen sich gern gefälschte Urkunden von echten Bildungseinrichtungen ausstellen. Fortgeschrittene Spaßvögel hingegen denken reziprok - ein echtes Diplom von einer falschen Universität muß es sein! Und so erhalte auch ich zu meiner Überraschung wenige Tage nach dem Jahreswechsel eine kostbare, geprägte Urkunde der Immanuel-Kant-Universität Königsberg. Das Institut für Theoretische Praxis verleiht mir summa cum laudano den akademischen Grad eines Diplom-Autodidakten, nachdem ich meine Abschlußarbeit dreimal schriftlich und wörtlich wiedergegeben hätte: "Jeder kann selber lernen! Autodidaktik als virtueller Frontalunterricht". Ich bin gerührt ob der späten akademischen Ehren, da ich mich ja zumindest theoretisch immer für die Praxis interessiert habe. Rein praktisch gesehen liegt mir aber natürlich eher die Theorie.

Später verrät man mir noch, daß der Studiengang Diplom-Autodidaktik außerordentlich stark verschult sei. Ähnliches gelte für das Jodeldiplom, welches ebenfalls an der IKU erworben werden könne.

Samstag, 5. Januar 2008

Silvester-Nachbetrachtung

Fortgeschrittene Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, daß es neben allgemeinen staatlichen Zwängen auch freiwillige Einrichtungen der Bürger gibt, durch die das Gemeinwohl auf sozusagen sanfte Weise gefördert wird. So ist etwa das Lottospiel eine gewissermaßen flagellantische Steuer, die lückenhafte stochastische Kenntnisse im speziellen und mangelnden Verstandesgebrauch im allgemeinen bestraft. Ein weiteres Beispiel finden wir auf unseren Straßen. Verkehrsteilnehmer, die die Hupe ihres Fahrzeugs benutzen, geben ihren Mitbürgern damit eine unzweideutige Selbstauskunft im öffentlichen Raum: "Ich bin ein Idiot".

Jeder erwachsene Bürger unseres Land hat zudem stets an Silvester die Möglichkeit, den Umfang seiner Hirntätigkeit im auslaufenden Jahr durch öffentliche Licht- und Geräuschsignale anzuzeigen. Die Schwierigkeit liegt nun darin, daß sich für dieses Jahresfazit ein reziproker Code durchgesetzt hat: je geringer die neurologische Aktivität, desto heller, bunter und lauter das jeweilige Silvesterprogramm.

Skeptiker haben jedoch die Befürchtung geäußert, daß umgekehrte Proportionalität ein Konzept ist, dessen Komplexität sich nicht jedem sofort erschließt. Doch man kann Entwarnung geben: Auch 2008 hat die Bürgergesellschaft vorbildlich funktioniert, die vereinbarten Signale wurden mustergültig gesetzt und gelesen. Wie immer war auch die Tierwelt sehr angetan von diesem Fest der gesellschaftlichen Moderne. Es lebe die zivile Selbstverwaltung!

Donnerstag, 3. Januar 2008

Spalter

In einem Essay in der Welt gibt sich Zafer Senocak erneut sehr pessimistisch, was den Islam betrifft: Er sei ein globales Problem und in vielen Ländern kaum mehr zu modernisieren. Möglicherweise sei ein islamisches Schisma die einzige Lösung für die Welt. Alhamdullah!

Allzuviel Zuversicht sollte man aber nicht haben. Die Katholische Kirche brauchte immerhin drei Schismen, bis sie keine katastrophalen Schäden mehr anrichten konnte ...

Mittwoch, 2. Januar 2008

La gazza ladra

Daß die deutsche Steuerverwaltung ihre wichtigste Software ausgerechnet Elster genannt hat (wahrscheinlich mit diebischer Freude), ist ja schon mal ein guter Witz. Wenn man die Software aber aktualisiert, kann man sich über eine weitere humoristische Einlage freuen: Der Assistent heißt UpdateAss. Ist das nun Gedankenlosigkeit oder einfach schonungslose Offenheit der Behörden? Man weiß es nicht.

Meinungsforschung

Die traditionelle Neujahrsfrage von Edge an die Weltelite lautet in diesem Jahr: Worüber haben Sie 2007 Ihre Meinung geändert? Die Antworten sind wie immer äußerst vielfältig und oft überraschend. So hält Rudy Rucker seit letztem Jahr religiöse Roboter für möglich; außerdem sei maschinelles Bewußtsein "probably not that big a deal". Durchaus kontrovers! Keith Devlin sieht sich nun als nicht-platonischer Mathematiker, auch wenn er platonische Mathematik lehrt. Und Sean Carroll beklagt, wie schwer man es in der Wissenschaft doch als Häretiker habe.

Die beste Antwort hat aber Anthony Garrett Lisi gegeben, der wohl einzige theoretische Physiker, der sein Geld als Surfer verdient: Er habe 2007 seine Meinung darüber geändert, ob man seine Meinungen ändern könne.