Samstag, 5. Januar 2008

Silvester-Nachbetrachtung

Fortgeschrittene Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, daß es neben allgemeinen staatlichen Zwängen auch freiwillige Einrichtungen der Bürger gibt, durch die das Gemeinwohl auf sozusagen sanfte Weise gefördert wird. So ist etwa das Lottospiel eine gewissermaßen flagellantische Steuer, die lückenhafte stochastische Kenntnisse im speziellen und mangelnden Verstandesgebrauch im allgemeinen bestraft. Ein weiteres Beispiel finden wir auf unseren Straßen. Verkehrsteilnehmer, die die Hupe ihres Fahrzeugs benutzen, geben ihren Mitbürgern damit eine unzweideutige Selbstauskunft im öffentlichen Raum: "Ich bin ein Idiot".

Jeder erwachsene Bürger unseres Land hat zudem stets an Silvester die Möglichkeit, den Umfang seiner Hirntätigkeit im auslaufenden Jahr durch öffentliche Licht- und Geräuschsignale anzuzeigen. Die Schwierigkeit liegt nun darin, daß sich für dieses Jahresfazit ein reziproker Code durchgesetzt hat: je geringer die neurologische Aktivität, desto heller, bunter und lauter das jeweilige Silvesterprogramm.

Skeptiker haben jedoch die Befürchtung geäußert, daß umgekehrte Proportionalität ein Konzept ist, dessen Komplexität sich nicht jedem sofort erschließt. Doch man kann Entwarnung geben: Auch 2008 hat die Bürgergesellschaft vorbildlich funktioniert, die vereinbarten Signale wurden mustergültig gesetzt und gelesen. Wie immer war auch die Tierwelt sehr angetan von diesem Fest der gesellschaftlichen Moderne. Es lebe die zivile Selbstverwaltung!

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