Gimme Mohr
Seit Anfang 2001 gibt es ver.di, die Vereinigte Dienstleistungs- gewerkschaft. Die Namensgebung ist nicht ungeschickt: Immer, wenn es um ver.di geht, soll man gleichzeitig Hochkultur im Sinn haben. Doch bei mir geht der Schuß stets nach hinten los: Bei Verdi muß ich immer an Frank Bsirske denken, ausgerechnet! Ich habe ja gar nichts gegen Konnotationen; diese allerdings werde ich der deutschen Arbeiterbewegung niemals verzeihen können.
Aber wir alle müssen Opfer bringen, und so schaue ich mir zusammen mit gleich vier Musiktheaterfreundinnen Verdis Otello im Badischen Staatstheater an. Der Mohr von Venedig gehört ja sicher zu den absurdesten Figuren der europäischen Operntradition, und die Geschichte ist natürlich von Anfang an durch und durch unglaubwürdig. Doch gerade bei Opern sollte man immer rein formal argumentieren. Und genau das tue ich auch, als wir in der Pause (gar nicht so) überraschend auf Guido treffen: Das Bühnenbild hätte mir wie immer ausgezeichnet gefallen, die Treppe sei ja eine tolle Idee! Doch der arbiter elegantiarum winkt müde ab: Heute würde doch jede Provinzbühne mit solchen Stufen arbeiten.
Die An- bzw. Abregung hinterläßt Spuren. Nach der Pause erscheint mir die Bühnengestaltung deutlich weniger brillant: links eine weiße und rechts eine schwarze Säule, Otello also hin- und hergerissen zwischen Gut (Desdemona) und Böse (Jago)? Nun ja, wenn es denn der Metaphernfindung dient ... Doch immerhin erleben wir in der zweiten Hälfte noch ein beeindruckendes stummes Crescendo, denn die Langeweile nimmt von Takt zu Takt erstaunlich linear zu.
Das Karlsruher Publikum ist allerdings wie üblich höchst angetan und spendet begeistert Applaus. Als ich mein Klatschen etwas zurücknehme, werde ich von Anke belehrt: Applaus sei des Künstlers Lohn! Doch man kann es ja auch anders sehen: Lohn ist des Arbeiters Applaus. Und so endet der Abend, wie er begann - bei ver.di.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen