Zeitgenossen genießen
Eine große Tageszeitung aus Frankfurt schickt ihren besten Mann zur Kontrolle nach Karlsruhe. Leider nur für einen Tag, darum ist Expressprogramm angesagt. Im Litfaß machen wir die erste erstaunliche Entdeckung: Christophs Cordon bleu ist akzeptabel, aber mein Gyros besteht praktisch ausschließlich aus Pommes. Vielleicht sollte man für griechische Köstlichkeiten tatsächlich eher zum Griechen gehen ...
Gut gesättigt gönnen wir uns wenig später eine weitere Spezialität, diesmal aber eine ungarische. Der Nakamura-Schüler László Hudacsek hat zu einem Konzert im ZKM geladen, was man schon dem Konzerttitel anmerkt: Looping on the Ghost Train of Time, soso. Das Programm entpuppt sich als Schlagzeugkonzert mit Videoeinspielung, in der der Künstler sich doppelt und dreifach selbst begleitet. Das ist dann wohl die "musikalisch-ästhetische Vorstellung einer horizontalen und vertikalen Zeitspirale", von der in der Ankündigung die Rede war. Die Stücke sind durchaus interessant, aber als Hudacsek plötzlich zu Weltraumvideos mit Rasseln durch den Raum spaziert, kommt kurzzeitig Hurz-Stimmung auf. Später führt er dann ein Werk für vier Küchenbretter auf - wir rätseln noch heute, welche Tonart darin wohl dominant war. Geli schlägt daraufhin eine neue Musikkategorie vor, kitchen music. Zugelassen sind nur Geräusche, die bei der Küchenarbeit entstehen. Am Kohlrabi - Thomas Müller! An den Kartoffeln - Klaus Meier! Am Tenorkürbis - Katharina Schmidt! Der Abend klingt absolut zeitgenössisch im Ohne Gleichen aus.
Am nächsten Morgen treffen wir uns zum Frühstück mit Anke und Monika in der Alten Bank. Das Frühstück ist vortrefflich, doch Christoph schielt die ganze Zeit zu einem Nachbartisch. Ist das denn die Möglichkeit? Die beste Doktormutter von allen frühstückt mitten im Semester in Karlsruhe? Ich beginne zu schwitzen und überlege mir schon die abenteuerlichsten Ausreden, als der Mann aus Frankfurt Entwarnung gibt: nur eine verblüffend originalgetreue Doppelgängerin!
Der Kurzbesuch klingt mit einem Abstecher in die stattliche Staatliche Kunsthalle aus. In einer tour de force jagen wir Großstädter Christoph stolz durch die beeindruckende Sammlung und schauen sogar noch in die Orangerie. Dort gibt es gerade eine Installation von Katharina Hinsberg zu bewundern. Einmal pro Minute schwebt ein roter Papierstreifen herab und vollführt dabei die akrobatischsten Bewegungen. In der Sprache der Kunst: "Durch das Hängen von Papier- oder Stoffstreifen im Raum überführt sie das Medium in einen installativen Zusammenhang".
Installativ! Das Wort wird man sich merken müssen.
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