Alltägliches, Allzualltägliches
Eigentlich möchte ich ja bloß zur Stadtbibliothek, um einige CDs abzugeben. Dann wird aber alles absurder als geplant. Auf der Kaiserstraße stoße ich auf ich etwa zehn Unentwegte, die reimend gegen die Arbeitsmarktreformen demonstrieren: "Wir sind laut, wir sind hier. Wir protestier'n, was macht Ihr?" "Arbeiten", entgegnet ein Passant sachlich nicht unwahr und gewinnt damit sofort die Sympathien des Publikums. Doch die Demonstranten lassen sich davon nicht einschüchtern und nutzen weiter ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Demonstrations- und damit auch Parolenfreiheit, so literarisch wertlos sie auch sein mag. "Wir sind laut, wir sind hier. Bis zum Ende - von Hartz vier!" Bis zum Ende von Hartz IV auf der Kaiserstraße Lyrik produzieren, nun ja ... Ob das ein geeignetes Mittel ist, um der Arbeitslosigkeit zu entkommen? Man kann das bezweifeln.
Wenig später erreiche ich die Stadtbibliothek. Die hat natürlich heute geschlossen, aber es gibt ja seit einiger Zeit die schicke Automatikrückgabe, die man auch von draußen nutzen kann. Gott sei Dank! Ich entledige mich also meiner CDs und warte, was passiert. Die drei CDs verschwinden ... doch der Automat quittiert mir nur zwei und unterschlägt Wolfgang Rihms Kammermusik. Vielleicht ist die Maschine mit Rihms "Musik" vertraut und kämpft darum gegen sie an, wo sie nur kann. Vielleicht ist aber auch einfach nur der Scanner defekt. Ich stehe jedenfalls loriotesk vor dem Gerät und reime im Stillen: "Ich bin laut, ich bin hier. Die CD - gib sie mir!".
Im Ettlinger-Tor-Zentrum erreicht der Abend dann seinen Höhepunkt. Auf der Rolltreppe stehen zwei 16jährige Mädchen vor mir, die ich sofort als typische DSDS-Zuschauer identifiziere: uninteressiert, gelangweilt und geistlos. Kurz bevor ich mein Vorurteil endgültig fällen kann, erhasche ich ein überraschendes Satzfragment: " ... aber Realität, was soll das schon sein!". Platon, Hume, Kant, Popper, die ganze europäische Erkenntnistheorie in sieben Wörtern! Realitätskritiker nun auch schon unter unseren Jugendlichen? Das ist ja fast noch schlimmer als Deutschland sucht den Superstar ...
Zu Hause erreichen mich dann noch verblüffende Nachrichten aus Mitte. Bernhard hat sich mit Jim Rakete getroffen. Karlsruhe ist nicht Berlin, ich habe es immer gewußt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen