Endlich wieder auf Amrum
Treffen sich zwei Werbetexter auf Amrum. Sagt der schlechtere: Hier ist Meer los. Sagt der bessere: Nein, weniger!
Die soeben neu geschaffene Kategorie des Amrum-Witzes ist wahrscheinlich nicht sehr zukunftsträchtig, doch Tatsache ist und bleibt: Amrums Hauptattraktionen sind der interessanteste Minigolfplatz und höchstwahrscheinlich die Inseltankstelle. Folglich kann man gar nicht anders, als schnell zu entspannen. Nach 2 Jahren verbringen wir also mal wieder ein paar Tage an der Nordsee.
Sylt und Amrum haben ja eine Gemeinsamkeit: Bohlen. Auf Sylt beschreibt der Begriff einen gewissen Urlaubertypus, auf Amrum hingegen das Holzstegnetz, das sich überall durch die Dünen zieht. Schon nach einer unserer ersten Wanderungen durch die frische Luft biegen wir jedoch ab und wagen eine Partie Minigolf. Auf jedem zweiten Schild lesen wir unfreundliche Hinweise auf fällige Strafzahlungen, wenn man unerlaubterweise mehr als 7 Schläge pro Bahn spielt, hm. Anke läßt sich allerdings (leider) nicht beeindrucken und gewinnt knapp 81 zu 82.
Auch bei der anschließenden Strandwanderung bleibt sie ganz cool und sammelt routiniert Muscheln & Co. ein, obwohl wir auf ganz anderes Meeresgetier als bei unserem ersten Amrum-Aufenthalt stoßen. Doch plötzlich erstarren wir beide! Was ist denn das dort hinter der Düne, eine abstrakte Skulptur mitten im Sand? Als Karlsruher sind wir natürlich ZKM-gestählt und suchen minutenlang nach neuer Formensprache und komplexen Raumstrukturen, bis wir feststellen: Entwarnung – bloß eine Kinderburg mit ein wenig Gestänge hier und da!
Am nächsten Tag müssen wir den Wanderschock verdauen und machen zur Abwechslung eine Fahrradtour. Auf dem Weg nach Wittdün kommen wir am Steenodder Kliff vorbei und betrachten schweigend das gewaltige Naturschauspiel: Im ewigen Kampf der Elemente hat das Wasser im Lauf der Zeiten eine Klippe aus dem Gestein herausgeschlagen, die an der einen oder anderen Stelle gut und gern 1,80 Meter hoch ist – kolossal. Apropos Wasser: Wenig später schauen wir endlich mal in der viel gelobten Insel-Praline vorbei, müssen aber feststellen, daß die Trinkschokolade dort nicht mit Milch zubereitet wird. Auf der Rückfahrt Richtung Norddorf erfinden wir noch schnell die Fahrradmusik: Konzert für zwei Klingeln, einen Quietschsattel und schleifende Handbremse (vorn) op. 1. Applaus gibt es leider nicht, aber als Ersatz gönnen wir uns eine kleine Stärkung im gemütlichen Teehaus Burg, wo man ja den schönsten Blick auf die Wattseite der Insel hat.
Der kalte Atem der Weltpolitik geht allerdings auch an Amrum nicht spurlos vorbei. Eigentlich wollten wir uns ja einen Vortrag von John C. Kornblum und Dieter Kronzucker anhören. Doch wegen des Bundeswehr-Angriffs auf einen Tanklaster gibt es Spannungen zwischen Washington und Berlin, und Kornblum muß nach Washington statt nach Nebel. Da hat er Pech gehabt!
Bei unserer obligatorischen Wanderung um die Nordspitze der Insel rettet Anke dann noch zwei Marienkäfer, die an der Wasserkante herumspazieren und nichts von der nassen Gefahr ahnen. Wie soll das auch gehen, wenn man praktisch kein Gehirn hat!
Und dann ist unsere Amrum-Woche auch schon wieder vorbei. Auch der Rückfahrt schauen wir noch ein paar Tage in der Schopenhauer-Stadt Lübeck vorbei. Die Zerstörungswut des 20. Jahrhunderts (also insbesondere die Architektur der 60er Jahre) konnte dem mittelalterlichen Stadtbild ja erstaunlich wenig anhaben. Wir platzen zwar mitten in die Lübecker Kartoffeltage, entscheiden uns im Hause Niederegger dann aber doch für die bekanntere Spezialität der Stadt: soviel Mandel wie möglich, sowenig Zucker wie nötig. Lecker! Im Willy-Brandt-Haus treffen wir dann noch ganz unverhofft den Basta-Kanzler, der auf dem Weg zum Blechtrommel-Jubiläum ist.