Sir Neville am Main
Sir Neville Marriner kommt nach Frankfurt und bringt neben seiner Academy auch Baiba Skride mit, eine junge Violinistin aus Lettland. Das können Christoph und ich uns natürlich nicht entgehen lassen und statten der Alten Oper einen schon lange geplanten Besuch ab. Vorher wollen wir aber noch den Geist Adornos atmen und schauen kurz im Club Voltaire vorbei, der berühmten Protestkneipe gleich nebenan. Dort platzen wir mitten in eine Filmvorführung über Studentenunruhen in Hessen. Zuviel Koch verdirbt den Brei! Also lieber gleich weiter in die einst schönste Ruine Deutschlands.
Das Konzert beginnt folkloristisch mit den Tänzen aus Galanta von Zoltán Kodály, die mir aber eine Spur zu ungarisch sind. Dann folgt das Violinkonzert des wohl vornehmsten aller Komponisten: Johannes Brahms. Man kann bei dem alten Knaben ja leicht in die Höflichkeitsfalle tappen, und genau das passiert der armen Baiba. Sie spielt wunderbar zart ... aber gerade im Allegro muß man doch ein bißchen schruppen, Mädchen! Im Adagio zeigt sie aber, was sie kann, und wir lauschen andächtig ihrem meisterhaft filigranen Spiel. Das Konzert endet beschwingt mit der Italienischen Symphonie von Felix Mendelssohn Bartholdy, bei der man bekanntlich ja gar nichts falsch machen kann.
Das Publikum ist jedenfalls begeistert und preßt Sir Neville zwei Zugaben ab. Wie lange hätte er noch in Ettlingen spielen müssen, der Stadt mit dem unkritischsten Publikum der Welt! Man bedenke: If you can't make it there, you can't make it anywhere. Christoph kommt in seiner kulturellen Ad-hoc-Analyse allerdings zu einem überraschenden Ergebnis: Sir Neville erinnert ihn an Joseph Blatter.
Wir beschließen den Abend stilvoll mit einem Bierchen direkt im Frankfurter Hauptbahnhof. Im ICE nach Karlsruhe versuche ich noch, ein Nickerchen zu machen, werde aber von der Deutschen Bahn wie üblich daran gehindert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen