Mittwoch, 14. Mai 2008

Missionarischer Atheismus

Religionen sind eine quasi-virale Geisteskrankheit. Das ist, etwas verkürzt, die Quintessenz aus Richard Dawkins Streitschrift Der Gotteswahn, die ich nun endlich gelesen habe.

Über die Diagnose muß man nicht lange diskutieren. Die allermeisten Leute sehen ja sofort ein, daß menschliche Konstrukte wie der Weihnachtsmann, Feen oder das Fliegende Spaghettimonster Humbug sind. Man kann niemanden davon abhalten, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen oder sie meinetwegen auch zu persönlichen Leitbildern des Lebens zu machen. Jeder hat das Recht auf den größten Mumpitz, solange er nicht andere zwingt, dabei mitzumachen. Aber warum genießen gewisse Quatschbewegungen sogar besonderen gesetzlichen Schutz? Und warum sitzen ihre Vertreter in Rundfunk- und Ethikräten und haben auch sonst erheblichen Einfluß auf das öffentliche Leben? Man kann es ja drehen und wenden, wie man will, aber diese und ähnliche Fragen sind sehr peinlich für Gesellschaften, die sich für aufgeklärt halten.

Nun sind Dawkins ja viele Vorhaltungen wegen seines Büchleins gemacht worden. Zahlreiche Kritiker waren im Grunde der Meinung, daß man auch Quatsch ernst nehmen sollte - inbesondere dann, wenn man es mit vielen Quatschköpfen auf der anderen Seiten zu tun hat. Das mag für Politiker gelten, bringt das Projekt der europäischen Aufklärung allerdings kaum voran. Theologen warfen Dawkins zudem vor, daß er sich zu wenig in theologischen Fragen auskenne. Wenn man diesem Argument folgt, kommt bald noch Franz Beckenbauer auf die Idee, Fußball zur Staatsreligion zu erheben. Kritik an ihr könnte man dann elegant mit dem Argument abbügeln, daß niemand soviel von Fußball versteht wie der Kaiser.

Die wirklich entscheidende Frage lautet jedoch: Muß man sich 2008 wirklich noch mit diesem Thema beschäftigen? Sind Religionen noch so einflußreich, daß man sie bekämpfen müßte? Dawkins antwortet mit einem entschiedenen Ja, und sein Buch ist die systematischste Argumentesammlung gegen den Aberglauben, die man sich vorstellen kann.

Fazit: Pflichtlektüre für jeden aufgeklärten Humanisten.

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