Montag, 26. November 2007

Luzern

Eigentlich ist ja das ganze Jahr über Luzern-Zeit, doch im November lohnt es sich wegen des Piano-Festivals natürlich besonders. Wir fahren also hin - trotz des novembrigen Wetters. Zur Steigerung unserer Festivalstimmung hatten wir uns extra ein feines Hotel ausgesucht und dabei nach Festlichkeit der Fassade entscheiden. Doch unsere Wahl entpuppt sich als kleine Enttäuschung: Offenbar ist die Hotelleitung eifrig bemüht, das frühere Grand-Hotel an den Geschmack der wichtigen Kunden von heute anzupassen. Und so hat man einen Großteil des Foyers an McDonald's(!) und Starbucks(!) vermietet. Den zahlreichen chinesischen und indischen Gästen gefällt der neue Stil, wir hätten es aber eigentlich gern etwas dezenter gehabt. Offenbar legt man in der globalisierten Welt überdies großen Wert auf unfreundlichen und unwilligen Service. Hm ...

Aber Schwamm drüber. Als erstes steht ein kleiner Stadtspaziergang auf dem Programm. Die Musegg-Mauer ist im Winter dummerweise nicht geöffnet, und so weichen wir auf das Alternativprogramm aus: Shopping. Nichts gegen die Schweiz, aber wirklich billig sind die Eidgenossen ja nicht! Ich kann mich allerdings gerade noch gegen eine neue Krawatte wehren und ermögliche uns so eine warme Mahlzeit, natürlich in der Taube. Wer die Chügeli-Paschtetli nicht kennt, kennt auch nicht Luzern! Übrigens: Eigentlich heißen sie Chögali-Paschtetli ...

Den nächsten Tag beginnen wir mit einem mäßigen Frühstück, bevor wir uns auf den kurzen Weg ins KKL machen. Wolle Schäuble hätte seine Freude an diesem wunderschönen Gebäude, wie immer überall Sicherheitskräfte! Ohne einen einzigen Terrorangriff erreichen wir sicher unsere Plätze und lauschen dem Spiel Andreas Haefligers. Er spannt zunächst einen Bogen vom Träumer (Pastorale) zum Titanen Beethoven (Appassionata) und spielt dann Schuberts immer wieder sehr eindringliche Sonate D960. Sein Stil ist im besten Sinne eidgenössisch: technisch tadellos, bestimmt und dennoch angenehm zurückhaltend. In jedem Stück reizt er das Dynamikspektrum nur ganz selten aus, das hört man ja selten heutzutage. Der ganze Saal ist zurecht begeistert und fordert eine Zugabe. Und bekommt sie: Schuberts Impromptu in Ges-Dur, juhu!

Luzern war ja schon immer eine Musikstadt, nun entwickelt sie sich auch noch zu einer bedeutenden Kunststadt. Und das bei der überschaubaren Größe! Andere Städte brauchen schon das Fünfzigfache an Einwohnern, um zu einer Sammlung wie der Donation Rosengart zu kommen. Praktischerweise liegt das Museum keine 5 Minuten vom KKL entfernt, und so spazieren wir nach dem Konzert hinüber und bewundern die sehr geschmackvoll präsentierten Picassos. Der Umbau des alten Zentralbank-Gebäudes ist wirklich gelungen, nirgendwo auch nur ein Hauch Pathos!

Im Untergeschoß dann die Überraschung des Tages: Unter all der Weltkunst entdecke ich plötzlich ein Bild aus meinem grafischen Frühwerk, nämlich die Zeichnung Mama und Papa pflücken Äpfel aus dem Jahr 1978 (Graphitstift 2 mm, Signierung von fremder Hand). Doch wenig später setzt die Enttäuschung ein: Tatsächlich handelt es sich um die Predigt für Wüstentiere von Paul Klee (1929, Fettkreide auf Papier)! Bislang habe ich den Maler ja für dramatisch überschätzt gehalten, doch nun sehe ich seine intuitive Kraft: 50 Jahre vor meiner gegenständlichen Schaffensperiode dieser Mut zur subjektiven Andeutung - enorm!

Und dann geht es auch schon wieder nach Hause. Kaum sind wir wieder in Deutschland, hat unser ICE auch schon 5 Minuten Verspätung. Auf die Deutsche Bahn ist Verlaß, immerhin!

Nach einem wunderbaren Wochenende bleibt nur eine Frage: Ist Luzern die kleinste Weltstadt oder die schönste Kleinstadt des Planeten?

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