Vom Regen in die Taufe
Schon zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert nehme ich in gewissem Sinne freiwillig an einem Gottesdienst teil. Und diesmal gleich in der Champions League: Katholische Kirche, Stich! Freunde lassen ihr Kind taufen - das kann ja nicht so schlimm werden, denke ich mir zu Beginn. Der Conférencier sieht immerhin aus wie Rowan Williams, aber ob das heutzutage ein Vor- oder Nachteil ist, kann man ja gar nicht mehr sagen. In seiner Predigt beklagt er den schlimmen Zustand der Welt. Gerade angesichts der Finanzkrise müsse doch jeder erkennen, daß Geld vergänglich sei. Stimmt - allerdings Gott sei Dank nicht im Vatikan!
Nach einigen Lobpreisungen jenes höheren Wesens, das wir verehren, wird losgetauft. Es mag ja reichlich absurd erscheinen, daß Eltern für ihr wenige Monate altes Kind die Zugehörigkeit zu einer 2000 Jahre alten Weltanschauung erklären, die ihre Räume mit Abbildungen römischer Folterinstrumente schmückt. Allerdings entschädigt das humoristische Potential für alles, denn natürlich gehört der Gedanke auf andere Weltsichten ausgebaut. Die Eltern sind Sozialdemokraten? Dann wird das Baby auch in jüngsten Jahren schon Sozialdemokrat! Der Vater war Unternehmer? Dann wird das Kind im Alter von 4 Wochen IHK-Mitglied, später erhält es in der Schule getrennt von Arbeiterkindern Kapitalismusunterricht. Sonntags könnte man dann den Mammon anbeten.
Doch zurück ins Gotteshaus. Wir erleben, wie erwachsene Menschen(!) ganz ernsthaft(!) öffentlich(!) erklären, dem Satan zu entsagen. 250 Jahre europäische Aufklärung ... wofür? Kurz vor Schluß erleben wir immerhin noch einen vollkommen aufrichtigen Moment des Kirchenlebens: Der Klingelbeutel wird herumgereicht. Das versöhnt auch den skeptischsten Humanisten.
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