Pollini & Pilatus
Nach langen zwei Jahren gönnen wir uns endlich mal wieder ein Wochenende in Luzern. Der Monat spricht natürlich dagegen, aber leider findet das Piano-Festival nun mal stets im November statt. Wir steigen also in die Bahn und machen uns auf den Weg in die Schweiz.
Nach dem Umstieg im Schweizer Bahnhof in Basel wollen wir unsere Plätze einnehmen, doch der Herr am Fenster will einfach nicht weichen. Das Prinzip der Reservierung scheint ihm nicht geläufig zu sein. Es geht ein bißchen hin und her, dann haben die – eigentlich unbeteiligten – Damen gegenüber ein Einsehen und machen ihre Plätze für den Herrn frei, damit wir uns auf unsere Plätze setzen können. Uns ist diese eidgenössische Höflichkeit ein bißchen peinlich, aber der dreiste Herr fühlt sich pudelwohl. Andere Länder, andere Unsitten.
Auf dem Weg zum Hotel staunen wir über den neuesten Luzerner Freizeittrend: Fahrräder werden in die Reuss geworfen, bleiben dort eine Weile liegen, wieder herausgeholt und dann erneut hineingeschmissen. Offenbar eine kultische Handlung, die sich Außenstehenden nicht erschließt, aber immerhin ein wenig an das deutsche Regietheater erinnert! Inspiriert beziehen wir unser wunderbar altmodisches Hotelzimmer mit Blick auf den Pilatus, der ja im Prinzip ein Emmentaler, aber alles andere als Käse ist. Beim Frühstücksbüfett entdecke ich zum ersten Mal Ovomaltine-Brotaufstrich und bin etwas enttäuscht: Nutella mit Knusperstückchen, muß das sein?
Doch für weitere Überlegungen bleibt keine Zeit, schließlich müssen wir den stolzen Ozeanriesen erreichen, mit dem wir über den Vierwaldstätter See zum Rütli schippern wollen. Dort erleben wir dann das wohl unspektakulärste Nationalheiligtum der Welt. Die Ehrenwache des historischen Ortes wird von sorgfältig ausgewählten Schafen gebildet, deren zahlreichen Hinterlassenschaften man auf dem Rasen leider nur schwer ausweichen kann. Kein Wunder, daß Wilhelm Tell damals hier nicht mitgeschworen hat.
Am frühen Abend lauschen wir dann dem Spiel Maurizio Pollinis im KKL (in dessen Foyer es in diesem Jahr mehr Gäste als Sicherheitsleute gibt, erstaunlich!). Beethovens Sturm-Sonate und die Appassionata bringt Pollini für meinen Geschmack ein wenig fad auf die Tasten, aber in Schumanns Fantasie op. 17 entzündet er ein Feuerwerk der Dynamik (auch wenn die NZZ nicht begeistert war). Den gelungenen Tag beschließen wir in der gemütlichen Rathaus Brauerei, wo ich das Rathaus-Bock empfehlen kann (Anke das normale Rathaus-Bier aber weniger).
Am Sonntag schließlich wollen wir mit der Pilatusbahn ganz nach oben. Auf dem Gipfel in rund 2.100 Metern Höhe weht es uns frisch um die Ohren, doch die Aussicht entschädigt für alles.