Mittwoch, 30. Mai 2007

Punkbeamter

In der Kaiserstraße radele ich langsam hinter einem Punk hinterher. Er trägt alle Insignien der Ohnmacht - Jacke mit Nieten, aufgeschlitzte Jeans, 70er-Jahre-Provo-Frisur. Am Kronenplatz macht er dann den entscheidenden Fehler: Er drückt auf den Ampelknopf und wartet auf Grün.

Angepaßte Bürgerlichkeit - die Protestform der Postmoderne?

Montag, 28. Mai 2007

Alle Wege führen nach Staffort

Das Wetter ist nicht unbedingt hochsommerlich, aber wir begreifen die Wolkendecke als Herausforderung und machen endlich die schon länger geplante Radtour zum Stafforter Baggersee. Spendabel, wie wir nun mal sind, entscheiden wir uns für den elegantesten Umweg und fahren über Büchig, Blankenloch und Weingarten. In Blankenloch schauen wir noch kurz beim Hermannshäusle vorbei. Dieses sehr feine Restaurant hat seinen Sitz in einem alten Fachwerkhaus und wird weithin für Speis & Trank gerühmt. Wir werden die gute Stube demnächst mal ausprobieren und dann natürlich ausgiebig berichten. Praktischerweise ist die S-Bahn-Haltestelle direkt vor der Tür.

Als wir beim Baggersee ankommen, wird es abenteuerlich: Freibeuterin Anke klettert auf einen Aussichtsbaum und erspäht einen Rosenkäfer, der hilflos auf dem Wasser treibt. In kürzester Zeit läuft eine der dramatischsten Rettungsaktionen an, die Staffort je gesehen hat. Dank eines stabilen Astes und unserer unbedingten Opferbereitschaft gelingt es uns, den armen Kerl vor dem Ertrinken zu retten. Er erweist sich allerdings als erstaunlich wenig beeindruckt und torpediert unsere Erinnerungsfoto-Anstrengungen mit einem alten Käfertrick: Er wendet uns sein vergleichweise unspektakuläres Hinterteil zu. Na gut - soll er doch sehen, wer ihn beim nächsten Mal rettet!

Keine 50 Meter weiter stoßen wir in der nächsten Bucht auf Hunderte pechschwarzer Jungfrösche, die zielstrebig von A nach B wandern. Anke ist von den kleinen Viechern ganz entzückt, mich erinnern sie bedauerlicherweise aber eher an hüpfende Kothäufchen. Man kann froh sein, daß gewisse Frösche keine Spiegel besitzen.

Dann geht es zurück nach Hause, wo wir den Tag mit einem Glas Sekt mit einem Spritzer Holunderblütensirup beschließen.

Sonntag, 27. Mai 2007

Frische Fische

Burgfest bei der Privatbrauerei Höpfner. Eigentlich wollen wir uns draußen bei der Hauptbühne das Konzert von Knutschfleck anhören. Plötzlich beginnt aber der Weltuntergang, und auf der Flucht vor den Wassermassen landen wir nach einer Zwischenstation im Bierzelt schließlich im Schalander der Brauerei. Ein echter Zufallstreffer, denn hier spielen die Dicken Fische, ein Trio mit recht ungewöhnlicher Besetzung: zwei Akustikgitarren (Anjel Ferry, Jürgen Amman) und Kiste (Fiorenzo de Vico). Wir sind ganz begeistert und können kaum glauben, welche Klänge man mit dieser Kombination hervorzaubern kann. Am meisten verblüfft mich die Coverversion von "Speak to Me". Pink Floyd mußten dafür seinerzeit wochenlang im Studio schuften, und die Dicken Fische schaffen live mal eben ganz easy denselben Effekt. Mit zwei Gitarren und einer Kiste. Wow! Außerdem gehört Anjel Ferry zweifellos zu den besten Live-Rocksängern, die ich in den letzten Jahren gehört habe. Doppel-Wow!

In der Pause denkt Günther noch kurz über den Kauf von Dicke-Fische-Fanmaterial nach. Doch er findet lediglich ein Damentop. Vielleicht doch nicht das Richtige für den Sommer ...

Montag, 21. Mai 2007

Aufstieg und anderes

Angesichts des schönen Wetters beschließen wir, einen Tag der kulturellen Vielfalt einzulegen. Startpunkt ist das Badische Landesmuseum, in dem derzeit die sensationelle Ausstellung Die ältesten Monumente der Menschheit läuft. Anke hat ihre quirlige, 16jährige Nichte Isabel mitgebracht, die keine fünf Sekunden nach dem Eintritt sehr überzeugend eine schwierige Rolle spielt, nämlich ihre eigene: "Können wir wieder raus? Ich habe keine Lust mehr!" Doch wir zwingen das arme Mädchen, sich rund eine Stunde lang mit den bis zu 12.000 Jahren alten Exponaten zu beschäftigen. Dabei stoßen wir auf Göbekli Tepe und halten es zunächst für eine wohlschmeckende türkische Fleischspezialität. Doch tatsächlich handelt es sich um die wohl älteste Tempelanlage der Welt - ein nicht unerheblicher Unterschied!

Nach dieser monumentalen Kulturerfahrung sind wir ziemlich erschöpft und legen uns zum Auftanken in den Park vor dem Schloß. Anke & Isabel dekorieren ihre Häupter mit hübschen Blumenkränzen, und gemeinsam genießen wir das sommerliche Treiben in der badischen Metropole. Dann geht es ins Eiscafé Cortina. Isabel schießt den Vogel mit einem - natürlich - monumentalen Früchtebecher ab, ich begnüge mich mit einem bescheidenen Milchshake.

Und nun wird es ernst: Wir marschieren tapfer auf den Marktplatz, wo Millionen begeisterter Fans den Aufstieg Karlsruhes in die 1. Bundesliga feiern. Höhepunkt ist ein betrunkener Fan, der auf die Bühne gebeten wird, um dort den Effekt der Sportpalast-Rede zu wiederholen. Die Menge ist begeistert und brüllt ihm bereitwillig alles nach, was er von sich gibt. Später werden wir noch Zeuge einer Mini-Schlägerei, die von den wachsamen Ordnungshütern aber bereits im Ansatz erstickt wird. Immerhin sind wir in Baden-Württemberg. Zwischendurch tritt immer wieder die Coverband Knutschfleck auf und spielt Hits der Neuen Deutschen Welle - überraschend gut, übrigens.

Samstag, 19. Mai 2007

Scratch in KA

Im Jazzclub bricht ein Orkan los. Er heißt Scratch und besteht aus Cuong Vu (Bandleader, Trompete), dem verblüffenden Stomu Takeishi (Bass) und Ted Poor (Schlagzeug). Außerdem ist noch Chris Speed dabei, der als Gast Tenorsaxophon und Klarinette spielt. Schon nach den ersten Klangäußerungen auf der Bühne muß ich an Gutbucket denken, die ja ebenfalls aus New York stammen. Scratch sind ähnlich explosiv, allerdings auch deutlich strukturierter und kontrollierter. Wer einen Eindruck davon bekommen möchte, welche zusätzlichen Aufgaben die Trompete im Jazz in den letzten 10-15 Jahre übernommen hat, sollte sich neben Nils-Petter Molvær unbedingt auch Cuong Vu anhören.

Junge, Junge.

Verepplern kann ich mich selber(n)

Erhard Eppler gilt vielen als weiser, alter Mann der deutschen Sozialdemokratie. Dieser Eindruck wird nur gestört, wenn er ab und zu mal den Mund aufmacht und sich zu aktuellen Themen äußert. So zum Beispiel heute morgen im Deutschlandfunk. Es geht um die momentane Lage der Welt und verwandte Themen. Seiner Meinung nach sei die "neoliberale Welle" der letzten Jahrzehnte verantwortlich für die verzweifelte Situation vieler Menschen auf der Welt. Was er denn ändern würde, damit es den Menschen in den Entwicklungsländern besser gehe? Nun ganz einfach: Korruption und Nepotismus in den Entwicklungsländern müßten bekämpft werden, außerdem solle die Europäische Union endlich ihre perfide Agrarpolitik abschaffen.

Lieber Erhard Eppler, falls Sie es noch nicht bemerkt haben: Sie fordern neoliberale Politik. Völlig zu recht, übrigens.

Sonntag, 13. Mai 2007

Brendel in Baden-Baden

Nach längerer Zeit gönnen Christoph und ich uns mal wieder einen Tag voller Hochkultur. Brillen-Trendsetter Alfred Brendel kommt ins Festspielhaus Baden-Baden und spielt die vier großen Klassiker. Das müssen wir natürlich erleben, auch wenn wir für unser Verlangen einen hohen Preis zahlen: Für unsere Plätze ziemlich weit hinten auf dem 2. Balkon müssen wir je 55 Euro auf den Tisch legen. Anderswo bekäme man dafür immerhin schon einen akzeptablen Wein.

Brendel kostet Kraft. Am Nachmittag vor dem Konzert genehmigen wir uns darum erst einmal eine zünftige Mahlzeit in der wunderschönen Schloß Schänke von Schloß Eberstein. Die Hauptmahlzeit nehmen wir im Saal ein, für den Kaffee wechseln wir auf die Terrasse und genießen dort den malerischen Ausblick auf Gernsbach. Allerdings für nur ca. drei Minuten - dann bekommen wir Besuch an unserem Tisch. Ein etwa 150 Kilogramm schwerer Taugenichts setzt sich zu uns und beginnt recht offensiv ein Gespräch. Offenbar ist er ebenfalls Musikliebhaber, denn er teilt uns mit, daß er bis jetzt schon knapp 19 Stunden Musik der Comedian Harmonists besitze. Die noch fehlenden 4 Stunden seien allerdings sehr rar und kaum aufzutreiben. Wir können diesen Informationen relativ wenig Nachrichtenwert abgewinnen und verlassen die Idylle daher früher als geplant.

Anschließend machen wir noch eine Spritztour durch den Schwarzwald und schauen uns pflichtgemäß die Schwarzenbachtalsperre an. Natürlich hat die Eigentümerin EnBW informative Schautafeln aufgestellt, allerdings auf der anderen Seite der Talsperre. Wir müssen also erst ganz unamerikanisch rüberspazieren, um zu erfahren, daß Wasserkraft den Treibhauseffekt vermindert.

Dann geht's nach Baden-Baden, ins Festspielhaus und in den zweitgrößten Opernsaal Europas. Erstaunlicherweise sind nicht alle Plätze belegt - zieht der alte Brendel etwa nicht mehr? Ich muß kurz an eine Diskussion über seine Werktreue denken, dann geht das Konzert aber auch schon los. Er beginnt mit Haydn und Beethoven, nach der Pause kommen Schubert und Mozart an die Reihe. Höhepunkt des Abends ist aber eindeutig das Dynamik-Kabinettstückchen im Adagio von Beethovens Klaviersonate Nr. 31: Ein Akkord wird mehrfach angeschlagen und dabei jeweils eine Idee lauter - aber eben nur eine Idee. Sensationell! finden die beiden erfahrenen Klassikfreunde Christoph und Tim, und nicken sich in dem tiefen Bewußtsein zu, daß all die entbehrungsreichen Jahre des kulturellen Lernens eine schicksalhafte Vorbereitung auf diese musikalische Sternstunde waren.

Was aber auch noch gesagt werden muß: Als Brendel nach der Pause zwei Impromptus von Schubert intoniert, wissen die beiden Experten für europäische Hochkultur eine ganze Weile lang nicht, was da eigentlich gespielt wird. Ganz eindeutig Beethoven! Oder doch Schubert? Ja, Schubert. Oder Mozart? Andererseits ... vielleicht doch Beethoven? Und so endet der Abend mit der Erkenntnis, daß für musikalische Expertise dasselbe gilt wie für alles andere auch: There is much room for improvement.

Mittwoch, 9. Mai 2007

Erfolg auf ganzer Linie 5

Erfreuliche Nachrichten aus Rintheim! Endlich ist die Tram-Linie 5 an die digitalen Ankunftstafeln an den Haltestellen angeschlossen. Man kann nun also wie bei jeder anderen Linie bequem sehen, daß die nächste Bahn in 6 ... 5 ... 4 ... 3 ... 2 ... 1 ... 0 Minuten kommt. Und dann kommt sie aber doch nicht, weil sie ja bekanntlich immer einige Minuten Verspätung hat. Jedenfalls auf dem Weg nach Rintheim - andersherum fährt sie praktisch immer pünktlich.

Bei der Gelegenheit fällt mir eine Sessel-Werbeplakat von Polster-Richter in der Kaiserstraße auf: "Wohnsinnig entspannend". Provinzwerbeagentur müßte man sein ...

Schöne Bescherung

Gestern war ich "auf den Tag genau" sechs Jahre lang Besitzer eines Postfaches bei WEB.DE Freemail. Sagte jedenfalls WEB.DE Freemail. Und bot mir darum gestern den ganzen Tag lang ein Geburtstagsgeschenk an, wenn ich mich einloggte. Dieses Geburtstagsgeschenk bestand in dem Angebot, dem kostenpflichtigen WEB.DE-Club beizutreten, toll!

Was merkwürdig ist: Auch heute bin ich "auf den Tag genau" sechs Jahre lang Nutzer von WEB.DE Freemail. Sagt jedenfalls WEB.DE Freemail ...

Dienstag, 8. Mai 2007

Zur Sache, Gentlemen

Bevor wir unseren dienstäglichen Beitrag zur Stärkung des Wissenschaftsstandortes Karlsruhe leisten, gönnen Guido und ich uns noch einen Kaffee in der einzigartigen Coffee Box am Kronenplatz. Die Bechergrößen waren dort früher erfrischend vertriebsorientiert benannt: Die kleinste hieß "M", die mittlere "L" und die große "XL". Nun steht "M" bekanntlich überall im abendländischen Kulturkreis für mittlere und "L" für große Größen. Nur in der Coffee Box ist M klein und L mittel. Die Namensgebung führte also öfter zu Irrungen und Wirrungen. "Ich hätte gern einen mittleren Milchkaffee." - "M oder L?" - "Na, einen mittleren." - "Also L?" - "Nein, M" - "Also einen kleinen!" - "Das ist also M?" - "Jedenfalls nicht L." - "Na meinetwegen ..."

Inzwischen hat man aber ein Einsehen mit den begrifflichen Konventionen der Bevölkerung gehabt und ist zu den Standardbedeutungen zurückgekehrt. Wenigstens etwas mehr Verbindlichkeit auf dieser Welt ...

Während wir zur Uni schlendern, beginnt es zu regnen. Ich nutze die willkommene Gelegenheit und äußere wieder mal meine Vermutung, woran man denn einen Gentleman erkenne: daß er nämlich stets einen Regenschirm mit sich führe. Arbiter elegantiarum Guido vertritt eine andere These. Seiner Meinung nach kann sich ein Gentleman immer noch ein Stündchen Zeit nehmen, um des Ende des Schauers abzuwarten, etwa bei einem Tee. Touché!

Sonntag, 6. Mai 2007

Pasta, Pasta

Der Pastafarianismus ist die am schnellsten wachsende Religion der Welt. Sie geht davon aus, daß die Welt von einem Fliegenden Spaghettimonster erschaffen wurde, und richtet sich strikt gegen die Evolutionstheorie. Inzwischen hängen weltweit mehr als 30 Mio. Gläubige der neuen Religion an. Und nun ist die Heilige Schrift des Religionsstifters Bobby Henderson endlich auch auf Deutsch erschienen: Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters. RAmen!

Freitag, 4. Mai 2007

Neues vom Tollhauseffekt

Die Medienberichterstattung über Klimawandel & Treibhauseffekt zeichnet sich durch zwei Dinge aus: erstens die beinahe völlig Abwesenheit wissenschaftlicher Begründungen und zweitens immer größeren Alarmismus. Das Boulevardmagazin Spiegel online hat jetzt einen neuen Rekord aufgestellt mit einer Schlagzeile, die an religiöse Heilsversprechen erinnert: "Rettung der Erde kostet nur ein Tausendstel der Weltwirtschaftsleistung". Wenn sich die Erde erwärmt, werden sich einige Länder endlich mal vernünftige Gedanken über ihre Agrar- und Wasserpolitik machen müssen, außerdem werden einige holländische Deichbaufirmen größere Umsätze erzielen. Aber Rettung der Erde? Was soll denn das?

Den bisherigen Unsinnsrekord hatte ja Mitte März das Berliner DIW mit einer Studie aufgestellt, die bis Ende dieses Jahrhunderts "riesige Kosten" voraussagte. Der Klimawandel kostete uns bis zum Jahr 2100 3.000 Milliarden Euro, wir würden alle unter den Kosten ersticken! Natürlich sind 3.000 Milliarden Euro viel Geld. Wenn man sich aber mal überlegt, wie hoch die deutsche Wirtschaftsleistung bis zum Jahr 2100 wohl insgesamt ist, stellt man fest: 3.000 Milliarden Euro entsprechen ganz grob etwa einem halben Prozent der Gesamtwirtschaftsleistung. Das heißt: Die Erhöhung der Mehrwehrsteuer Anfang des Jahres war sehr viel schlimmer als der wirtschaftlich angeblich so verheerende Treibhauseffekt. Mit anderen Worten: Diese "riesigen Kosten" sind über beinahe hundert Jahre gerechnet vollkommen irrelevant.

Aber um Sachlichkeit geht es den Klima-Alarmisten ja nicht. Sondern nur um das eigene Geschäft. Mit Klimastudien läßt sich schließlich viel Geld verdienen. Je mehr Panik, desto mehr Umsatz.

Mittwoch, 2. Mai 2007

Le président

Die Debatte zwischen Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy war auf keinem besseren Niveau als entsprechende Gespräche in Deutschland. Allerdings wirkte Sarkozy wesentlich abgebrühter und präsidialer. Royal eierte oft um den heißen Brei herum und kam vom Hundertsten ins Tausendste. Mindestens 4:1 für Sarko.

Wenigstens hat dieser Wahlkampf auch etwas Erfreuliches: Zum ersten Mal seit Mitte der 70er nimmt Monsieur Chirac nicht daran teil ...

Dienstag, 1. Mai 2007

1. Mai

Am Tag der Arbeit gibt es für mich natürlich - Arbeit. Ich genieße das gute Gefühl, gebraucht zu werden, und bedauere in meinen Gedanken die armen Menschen, die bei strahlendem Sonnenschein heute unnütz am Baggersee liegen oder einen unproduktiven Ausflug unternehmen.