Wenn sich das deutsche Subventionstheater auf zeitgeschichtliche Themen stürzt, besteht fast immer höchste Trivialitätsgefahr. Die großen Debatten unserer Zeit werden ja längst an anderer Stelle geführt, und wenn irgendwo ein Intendant dann doch mal auf ein kontroverses Thema stößt, ist es meist schon seit Jahrzehnten gar keins mehr.
Nun hatte Anke aber ziemlich günstige Karten für Ulrike Maria Stuart aufgetrieben, das Jelinek-Stück, das bei seiner Premiere vor ziemlich genau einem Jahr eben nicht den erhofften Skandal provoziert hatte. Und so wurden wir auf den besten Plätzen des Kleinen Hauses im Badischen Staatstheater Zeuge einer außerordentlich divergenten Aufführung.
Das Stück selbst entsprach exakt meinen Erwartungen: Belanglosigkeit en gros und en detail, aber immerhin angereichert mit einigen gut plazierten Pointen ("Das Volk ist nie da, wenn man es braucht!"). Die RAF hätte weder Sinn noch Ziel gekannt, ihre Mitglieder seien eigentlich bloß naive, therapiebedürftige Egomanen gewesen. So weit, so trivial - dieses Fazit hätte auch ein Gemeinschaftskunde-Kurs der 11. Klasse ziehen können. Auf demselben Niveau bewegen sich allerdings auch Struktur und Duktus des Stückes. Leider wieder mal ein Indiz dafür, daß der Literaturnobelpreis auf dem besten Wege ist, dem Wirtschaftsnobelpreis den Rang abzulaufen - als lächerlichste Auszeichnung des Nobelkomitees.
Die Inszenierung folgte allerdings dem üblichen hohen Standard im Badischen Staatstheater: geschmackvolle Bühnenausstattung, einfallsreiche Regie, elegante Metaphorik. Ausgezeichnet auch die Leistung der Schauspieler, allen voran Andre Wagner.
Einen solchen Abend kann man natürlich nicht einfach so beenden, und wir beschließen, uns noch auf einen Absacker in die Gelben Seiten zu begeben. Anke macht es richtig und geht auf Nummer sicher. Ich mache es falsch und bestelle einen nicht ganz billigen spanischen Rotwein, laut Karte "kräftig und voll im Aroma". Tatsächlich schmeckt er aber außergewöhnlich fad und langweilig. Innen Aldi, außen Audi. Ein Gegensatz, der mich irgendwie an Jelinek erinnert. Die Konsistenz des Abends ist gewahrt, juhu!